Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
The Doors

The Doors

Titel: The Doors Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greil Marcus
Vom Netzwerk:
dass es zwei Sorten von Kunst gibt, eine hier und eine da drüben, und ob etwas hier oder da einsortiert wird, ist abhängig von der Klassenzugehörigkeit, der Intention und der Einstellung – der Klassenzugehörigkeit, Intention und Einstellung nicht nur des Publikums, sondern auch des Künstlers. Eine feine Missachtung – Kunst wird die Domäne derjenigen bleiben, die fein genug sind, um sie würdigen zu können, um sie so zu würdigen, wie sie gewürdigt werden sollte, ganz zu schweigen von denjenigen, die in der Lage sind, die Regeln zu missachten, im Unterschied zu denjenigen, die das nicht können.
    Diese Vorstellung von Kunst – davon, was Kunst ist und wozu sie da ist – dürfte dafür verantwortlich sein, dass es, wie ich finde, so wenig echte visuelle Pop-Art gibt (und ich habe mir Kirk Varnedoe nur deshalb herausgepickt, weil er eine von vielen geteilte Meinung so klar und unmissverständlich artikuliert hat). Es gibt kaum Beispiele für eine visuelle Pop-Art, die tatsächlich im modernen Markt verankert ist und die Geschichten vom modernen Markt erzählt, also Beispiele für eine visuelle Pop-Art, die nicht ihre Distanz wahrt: ihre Distanz zu den Bildern, die sie verwendet, ihre Distanz zu dem Lärm, den sie zu reproduzieren versucht, ihre Distanz zu dem Tempo, dem Flash und dem Glamour, den sie einfangen und wiedergeben möchte – ihre Distanz zu sich selbst.
    Die 1990 von Varnedoe und Adam Gopnik kuratierte Mo MA -Ausstellung High & Low: Modern Art and Popular Culture präsentierte Werke der Pop-Art gemeinsam mit deren Quellen oder, um noch einmal Smithson zu zitieren, mit den »hübschen Illustrationen oder hübschen Vorlagen«, die »in Form eines künstlerisch wertvollen Bildes parodiert« wurden. Ich brannte darauf, mir das anzusehen, denn ich hatte nie verstanden, warum George Herrimans Krazy Kat- Comicstrips oder die Steve Canyon - und True Romance -Comichefte eine minderwertigere Kunst oder, genauer gesagt, warum sie nicht eine bessere Kunst waren als die Pop-Art-Klassiker, die Philip Guston und Roy Lichtenstein daraus fabriziert hatten.
    Sah man sie direkt nebeneinander, so stach ein Unterschied dieser Werke sofort ins Auge: Die Bilder von Guston und Lichtenstein waren viel größer. Ich erinnerte mich daran, dass der in San Francisco ansässige, inzwischen verstorbene Maler, Filmemacher und Objektkünstler Bruce Conner einmal erzählt hatte, dass er New York verlassen musste, weil er gerne in einem, wie er es nannte, realen Maßstab arbeitete, und angesichts der Lebenshaltungskosten im New York der 1950er-Jahre wäre er, wie er sagte, gezwungen gewesen, in einem Roy-Lichtenstein-Maßstab zu arbeiten. Hier sah man, was Conner damit gemeint hatte.
    Ich betrachtete die riesigen Bilder, noch immer ratlos. Was war den Vorlagen hinzugefügt oder was war daraus entfernt worden? Wo war die kritische Vision – oder überhaupt irgendeine Vision –, die über die der ursprünglichen Künstler hinausging? In Lichtensteins Nachbildungen von Bildsequenzen aus Steve Canyon und True Romance findet sich nichts von dem, was Mitglieder der Situationistischen Internationale zur gleichen Zeit in Paris damit anstellten.
    Die Situationistische Internationale war ein kleiner, revolutionärer Zirkel von Kritikern, die so extrem waren, dass sie die Rassenunruhen, die es 1965 in Watts gegeben hatte, als eine »Kritik der Stadtplanung« priesen. Sie hatten einen Sinn für Humor. Sie fotokopierten Bildsequenzen aus populären Comics und verpassten den Sprechblasen neue Texte, sodass der sein kantiges Kinn vorschiebende Steve und die tränenselige Priscilla von Entfremdung und von der Pariser Kommune sprachen, als wären das Themen, die den Leuten tatsächlich am Herzen lagen. Statt dieser Umfunktionierung gab es bei Lichtenstein etwas, was man mit einem Begriff kennzeichnen kann, der ein Synonym für Elitedenken, Privilegierung, Selbstermächtigung – für Herrenrecht – ist: Es gab eine Inbesitznahme, eine Aneignung. Der Künstler sagt: Ich finde dieses Bild auf eine eigenartige Weise ansprechend, kraftvoll, komisch, bezaubernd, amüsant. Das werde ich nun zum Ausdruck bringen oder, genauer gesagt, ich werde diesem Bild nun eine Stimme verleihen, werde es zu dem Publikum sprechen lassen, das zählt, weil dieses Bild von sich aus, und auch von uns aus betrachtet, stumm ist. Ich werde es mit dem Siegel der Kunst versehen – denn sonst wird es verschwinden, als hätte es nie existiert. Man kann sich die Doors

Weitere Kostenlose Bücher