The Doors
machte weiter. Vier Vergaser, ein Doppelrohrauspuff – ich sagte: »Ich fahre mit Flugbenzin, koste es, was es wolle.« Luftdruckfanfaren. Ein Suchscheinwerfer, mit dem man eine Menschenmenge auseinanderscheuchen könnte wie Küchenschaben. Das Gesicht des Autohändlers wurde aschfahl, als wir in seinem Büro Platz nahmen und ich die Zahl hinschrieb: fünf Jahre Garantie. Ich sprach von Selbstbeteiligungen, Haftungssummen und dergleichen, bis ihm der Kopf rauchte, und dann spielte ich mein Ass aus: Keine Anzahlung! Was immer Sie wollen, sagte er. Er schluckte zweimal. Dann reichte er mir den Füller. Ich setzte mein Autogramm unter den Vertrag; er unterschrieb mit John Smith.
Auch wenn Eduardo Paolozzi und Chuck Berry nicht genau dieselbe Sprache sprechen, obwohl sie es vermutlich tun, könnten sich die beiden zweifellos miteinander unterhalten, und jeder könnte dem anderen die Geschichten erzählen, die dieser hören und weitererzählen möchte. Doch die Art von Entschuldigung oder Erklärung, die, wenn man so will, Interpretationshilfe, die zum Verständnis von Paolozzis Werk möglicherweise unerlässlich ist, wäre bei »No Money Down« vollkommen überflüssig.
Sie wäre sogar grotesk. In Sachen Details, Schichtung, Neukolorierung, Collage, Glamour und Tempo gibt es bei »No Money Down« nicht die geringste Distanz – was auch für Berrys »You Can’t Catch Me« und »No Particular Place to Go« gilt, genauso wie für K. C. Douglas’ »Mercury Blues« oder für »409« und »Fun, Fun, Fun« von den Beach Boys.
Egal, welche Distanz oder Ironie Chuck Berry, K. C. Douglas oder Brian Wilson vorgeschwebt haben mochte, sie hatte sich bereits verflüchtigt, lange bevor diese Songs in die Welt gelangten, zum Publikum, auf den Markt, wo die Leute sich sofort darüber zu unterhalten begannen. Schließlich sind Autosongs, aus dem Blickwinkel des Marktes, zum Teil Autos – und Autos zum Teil Autosongs. Es sind Songs, die man im Auto hört.
Peter Smithsons Fragen der Ästhetik – seine »Festlegung eines Standpunkts«, sein »Ist das nicht eine hübsche Illustration oder eine hübsche Vorlage, die ich in Form eines künstlerisch wertvollen Bildes parodieren könnte?« – sind in Wirklichkeit Fragen der Moral: Wie bleibt man sauber? So eine Frage dürfte sich in der Popmusik kaum stellen. Als sie in den 1950er-Jahren entstand, war die Popmusik zum Teil Auto, zum Teil jedoch auch noch etwas anderes: Damit ihre Platten in einem von großen New Yorker Konzernen wie Columbia oder RCA dominierten Radio gespielt wurden, mussten kleine, regionale, unabhängige Plattenfirmen wie Berrys Chess in Chicago oder wie Dootone, das in Los Angeles ansässige Label der Penguins, die Discjockeys »schmieren«, und angesichts dieser als Payola bezeichneten Praxis, angesichts von Bestechung, Lügen, Manipulation und sogar Erpressung, war Popmusik zum Teil auch Gebrauchtwagenhändler. Es gibt indes alle Arten von Händlern.
1990 veröffentlichte der mittlerweile verstorbene Kirk Varnedoe, damals am New Yorker Museum of Modern Art Kurator der Abteilungen Malerei und Plastik, ein Buch mit dem Titel A Fine Disregard: What Makes Modern Art Modern. Der Titel – und die Theorie, die er umriss – stammte von einem Gedenkstein, der an der Pforte zur Rugby School steht, einem Internat in England, das zu den elitärsten, exklusivsten und aristokratischsten Privatschulen der Welt zählt. Varnedoe setzte die gesamte moderne Kunst auf diesen Stein, mit dem der historischen Tat eines gewissen William Ellis Webb gedacht wird, der im Jahre 1823 mit einer, wie auf dem Stein zu lesen ist, »feinen Missachtung der damaligen Fußballregeln als Erster den Ball in die Arme nahm und damit loslief, wodurch er das charakteristische Merkmal des Rugbyspiels erfand«.
Das entscheidende Wort scheint mir hier nicht so sehr das Substantiv »Missachtung« zu sein – die Missachtung von Regeln, Erwartungen und dergleichen –, sondern eher das Adjektiv »fein«. Das heißt, man versichert uns, dass auch die moderne Kunst Kunst sei – und man versichert uns, dass sie die Domäne jener Sorte von Menschen bleiben werde, die seit Jahrhunderten die Rugby School besucht oder die im Aufsichtsrat von Kunstmuseen zu sitzen pflegt. Man teilt uns mit, dass die moderne Kunst nicht zu weit gehen werde. Wer weiß, welches Gesocks man demnächst in die Museen aufnehmen müsste, wenn man einfach »Missachtung« sagte, ohne ein relativierendes Adjektiv?
Man lässt uns wissen,
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