The Elder Races 05 - Das Versprechen des Blutes
sie früh schlafen gehen, nicht wahr?
Der Gedanke daran versetzte sie nicht gerade in Hochstimmung. Zu viel Ungeklärtes stand zwischen Dragos und ihr. Aber dass dieser endlose Tag fast vorüber war, ließ sie hoffen, wieder eine bessere Basis mit ihm zu finden. Die Sehnsucht nach ihm war zu einem tiefsitzenden Schmerz geworden, nur dass sie jetzt nicht mehr nur seine körperliche Gegenwart vermisste, sondern mit verzweifelter Heftigkeit auch die harmonische Verbindung zwischen ihnen.
Sie wandte sich an Ferion, der sie mit einem schwachen Lächeln ansah. »Bitte verzeihen Sie, dass wir im Augenblick mit anderen Angelegenheiten befasst sind«, sagte er. »Ihr Besuch hätte mehr Aufmerksamkeit verdient. Es ist schön, Sie wiederzusehen, Lady.«
Ein wenig besänftigt sagte Pia: »Hallo Ferion. Wie geht es Ihnen?«
»Gut, vielen Dank«, sagte er. »Obwohl ich es immer bedauern werde, dass Sie im letzten Sommer nicht bei uns geblieben sind.«
Sie erwiderte sein Lächeln etwas schief. Ferion hatte die Gruppe angeführt, die damals auf ihren Hilferuf reagiert hatte, als Dragos unerlaubt die Grenze zum Elfenreich überschritten und so die Staatsverträge zwischen beiden Reichen verletzt hatte. Die Elfen hatten mit einem vergifteten Pfeil auf Dragos geschossen, und dann hatte irgendjemand das alles Urien erzählt, dem König der Dunklen Fae.
Das hatte eine Menge negativer Konsequenzen gehabt. Pia und Dragos waren entführt, misshandelt und beinahe getötet worden. Aber es hatte auch positive Folgen gegeben, zum Beispiel, dass Dragos und sie zum ersten Mal miteinander geschlafen hatten. Wer aus dem Elfenreich Uriens Informant gewesen war, würden sie wahrscheinlich nie erfahren, und in der Zwischenzeit war so viel passiert, dass die Information gewissermaßen unwichtig geworden war. Urien war tot, und sämtliche Allianzen oder Verpflichtungen, die irgendein Elf ihm gegenüber gehabt haben mochte, waren es ebenfalls.
»Seitdem ist viel Wasser den Bach hinuntergeflossen«, sagte sie zu Ferion.
Wenn er die doppelte Bedeutung ihrer Worte verstanden hatte, zeigte er es nicht. Mit einer höflichen Geste forderte er sie auf, ihn zu begleiten; Linwe und die übrigen folgten ihnen.
Von unten hatte Pia unmöglich einen Eindruck davon bekommen können, wie groß das Haus wirklich war. Die reflektierenden Außenwände hatten ihre Tiefenwahrnehmung verwirrt, weil ihr Verstand stur darauf beharrte, dass er nur Bäume und Himmel sah.
Im Inneren des Hauses führte Ferion die Gruppe nun durch lange Gänge mit großen Steinfliesen, behauenem Granit und geschnitztem Holz. Dabei bogen sie mehrmals ab, was vermuten ließ, dass das Haus wirklich sehr groß war. Endlich blieb er stehen und öffnete eine Tür zu einer geräumigen, prachtvoll eingerichteten Zimmerflucht, die über einen zentralen Gemeinschaftsraum mit Kamin und mehreren Sofas sowie diverse Badezimmer und drei Schlafzimmer verfügte.
Da immer zwei der Irren wach sein würden, konnten sich die anderen jeweils zu zweit ein Schlafzimmer teilen. Die Räume waren mit schweren, dunklen Hartholzmöbeln auf glänzenden Fußböden und handgewebten Teppichen ausgestattet. Außerdem gab es aufwendig genähte Wandbilder mit See- und Waldmotiven, in denen sich fantastische Kreaturen tummelten. Der größte Wandteppich hing an der Innenwand und zeigte einige Elfen auf einem ihrer historischen, eleganten Ozeanschiffe. Einer davon war ein Mann mit dunklen, zu einem langen Zopf geflochtenen Haaren, offenbar Calondir, der einen goldenen Kelch in den Händen hielt. Obwohl der Kelch im Verhältnis zum Rest des Bildes klein war, stach der goldene Faden hell zwischen den tiefen, satten Farben im Rest des Wandteppichs hervor und lenkte den Blick sofort auf den Kelch.
In der Außenwand der Suite boten große Fenster einen Ausblick auf den mondbeschienenen Fluss und den Wald hinter dem Wasserfall. Pia trat an die Scheibe, um hinauszusehen.
Ferion folgte ihr. Der Elf stand ruhig da, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, und beide betrachteten sie die wunderschöne Landschaft. Als Pia zu ihm hinübersah, war sie erneut von seiner Ähnlichkeit mit Calondir verblüfft. Die beiden Männer mussten irgendwie verwandt sein, vielleicht waren sie Vater und Sohn. Wenn dem so war, fragte sie sich, ob Beluviel Ferions Mutter war. Angesichts der Kühle, die sie zwischen Beluviel und Calondir wahrgenommen hatte, war alles möglich.
Die magische Energie, die Ferion in sich trug, deutete darauf hin, dass er
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