The End (Die neue Welt)
quengelte Haley.
»Er spielt oben in seinem Zimmer«, antwortete Samantha, ohne das Kind anzusehen. »Bist du mal kurz still, bitte?«
»Mama, Mama, ich will Saft«, bettelte Haley weiter, indem sie an der Hose ihrer Mutter zupfte.
»Sekunde, Kleines«, hielt Samantha sie hin.
Das Kind ging nicht auf die Beschwichtigung ein und gellte: »Mama!«
»Haley, bitte Liebes, nur ganz kurz!« Samantha wurde laut. »Mama schaut sich etwas ganz, ganz Wichtiges an.«
Sie konnte den Blick nicht von den Szenen losreißen, die über den Bildschirm flimmerten. Rauchsäulen schraubten sich über dem Stadion empor. Leider standen solche Bilder nunmehr an der Tagesordnung.
Seit dem 6. September kam es fortwährend an unterschiedlichen Orten im Land zu Anschlägen. Ob Autobomben, Selbstmordattentäter oder Amokschützen in Einkaufszentren – Gewalt war beinahe zur Normalität geworden. Von Miami ausgehend, bis nun nach Seattle, schien es in den USA keine sichere Gegend mehr zu geben. Der Präsident hatte noch am vorangegangenen Abend versucht, die Bürger in einer landesweit ausgestrahlten Fernsehansprache zu beruhigen. Seinem Versprechen zufolge wurden alle verfügbaren Mittel angewandt, um jegliche weiteren Attacken zu vereiteln.
Unglücklicherweise jedoch erfolgten diese Attacken quer durchs Land in so unschöner Regelmäßigkeit, dass nicht wenige Mittel allmählich erschöpft waren. Die verschiedenen Geheimdienste hatten einige wenige Zellen aufhalten können, doch da diese nur sporadisch in Erscheinung traten, war es unmöglich, sie alle zu stoppen. Ganz Amerika war mit den Nerven am Ende. Viele Bürger frequentierten öffentliche Plätze mit möglichem hohen Personenaufkommen überhaupt nicht mehr. Samantha und Gordon zählten zu denjenigen, die das Ausgehen kategorisch mieden. Trauten sie sich dennoch vor die Tür, dann nur zur Beschaffung dessen, was man nicht online bestellen konnte, und niemals in Begleitung der Kinder. Die Lage war zu angespannt, und die Wirtschaft litt unter den wiederholten Attentaten.
»Gordon!«, rief Samantha.
Eine Minute verging ohne Antwort. So erhob sie die Stimme noch lauter: »Gordon, komm her!«
»Was ist los?«, raunte er aus seinem Büro auf der anderen Seite des Hauses. Gordon besaß das Glück, als Webdesigner von daheim aus arbeiten zu können.
Nach seinem Austritt beim Marinekorps hatte er nichts mit sich anzufangen gewusst; wieder die Schulbank zu drücken war ihm zuwider, doch irgendeinem Job musste er nachgehen. Bevor er sich bei der Armee eingeschrieben hatte, studierte er auf einen Abschluss in Informatik hin, weshalb er sich sehr gut mit Computern auskannte. Schon auf dem College entwarf er Internetseiten, um seine Rechnungen bezahlen zu können, also lag es nahe, sich in diese Richtung auszustrecken.
Er verdingte sich gerne in der Branche, doch die Freiheit der Heimarbeit war ihm noch lieber. Dadurch konnte er mehr Zeit mit seiner Familie verbringen, und jetzt im Zuge all dieser Angriffe schätzte er sich besonders glücklich, nicht zu irgendeiner Bürowabe pendeln zu müssen und sich dadurch als potenzielle Zielscheibe zu präsentieren.
Als Gordon das Wohnzimmer betrat, hockte Samantha nach vorne gebeugt auf der Kante des Sitzpolsters ihrer Couch und stützte die Ellbogen auf den Knien ab, während sie sich mit beiden Händen den Mund zuhielt. Er kannte ihren verzweifelten Gesichtsausdruck, und ein Blick auf den Fernsehschirm gab ihm die Bestätigung: »Scheiße, ist das denn die Möglichkeit. Schon wieder ein Anschlag? Wo?«
Endlich löste sie ihre Hände vom Mund. »In Seattle.«
»Was genau ist passiert?«
»Gordon, sei still, ich verstehe nicht.« Samantha klang äußerst aufgeregt und wirkte überspannt.
Er ging zu ihr hinüber und setzte sich neben sie auf die Couch. Dann nahm er ihre Hand, woraufhin sie sich ihm zuwandte. Tränen schossen in ihre Augen; ihre Stimme brach. »Ich habe Angst, Gordon. Dieser Terror hört einfach nicht auf. Wir wussten ja, dass es uns treffen wird, aber die kennen wirklich kein Erbarmen!«
»Ich verstehe, dass du dich fürchtest, Schatz. Vertrau mir, ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um uns zu schützen. Was auch immer dazu notwendig ist: Niemandem von euch wird ein Haar gekrümmt.« Gordon drückte beim Sprechen ihre Hand und sah ihr in die Augen. Gleichzeitig hob er seine andere Hand, um die Tränen abzuwischen, die nun über ihre Wangen liefen.
»Weiß ich doch, aber versprich mir, dass du gerade für die Kinder
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