The End (Die neue Welt)
Teufel sind hier.‹
William Shakespeare, »Der Sturm«
San Diego, Kalifornien
Ein weiterer schöner Dezembermorgen war in Südkalifornien angebrochen. Anders als in weiten Teilen des Landes war es hier unter strahlend blauem Himmel milde 16° Celsius warm – perfektes Wetter also zum Frühsport. Gordon ließ nichts über seinen täglichen Lauf kommen. Gerade einmal zwanzig Minuten genügten, um einen klaren Kopf zu bekommen, während die Nachbarschaft zur Arbeit aufbrach, und diese Minuten spendeten ihm ein Gefühl von Zufriedenheit, ja sogar Überschwang. Während er joggte, ließ er seine Unterhaltung mit Samantha vom Vorabend Revue passieren. Er hatte ihr sein Vorhaben unterbreitet, die Familie nach Idaho zu bringen, um das Ende der andauernden Attentate in einem Umfeld abzuwarten, das sicher war und Entspannung gestattete. Sie hatte ihm ohne Vorbehalt zugestimmt und traf bereits erste Vorbereitungen für die Reise. Obwohl das bedeutete, San Diegos traumhaftem Klima zugunsten von Schnee den Rücken zu kehren, wäre er lieber schon jetzt in Idaho gewesen. Samantha und er würden nur wenige Tage zum Planen und Kofferpacken benötigen, sodass sie es bis zum Wochenende schaffen sollten. Heute morgen hatten sie den Kindern den Umzug mit der Aussicht auf weiße Weihnachten schmackhaft gemacht. Die beiden waren sehr aufgeregt, auch weil sie Idaho liebten und sich darauf freuten, im Schnee zu spielen.
An einer stark befahrenen Kreuzung musste Gordon anhalten. Er betätigte den Schalter an der Ampel und wartete geduldig darauf, dass sie für Fußgänger umsprang. Diese Zeit nutzte er zum Stretching, indem er sich auf Hüfthöhe nach vorne bückte und die Hände zum Pflaster ausstreckte, um sein Kreuz und die rückseitige Oberschenkelmuskulatur zu dehnen. Dann richtete er sich wieder auf und sah auf die Ampel. Sie war erloschen, weder rot noch weiß. Plötzlich kollidierten vor ihm zwei Autos, und bevor er den Schock darüber verwinden konnte, krachte ein drittes hinein. Daraufhin musste er zusehen, wie immer mehr Fahrzeuge aufeinander prallten. Es war eine Weile her, dass er einen Unfall gesehen hatte. Gordon stand da und glotzte auf die Wracks, bis es ihm allmählich eigenartig vorkam, wie ruhig es auf der ansonsten verkehrsreichen Straße geworden war. Dann realisierte er, dass keine der Ampeln in diesem Bereich mehr funktionierte; sie blinkten nicht einmal rot wie sonst üblich bei einem Stromausfall. Als er links die Straße hinaufschaute, hatten die Fahrzeuge dort entweder angehalten oder rollten langsam vorwärts. Der Blick nach rechts bot ihm das gleiche Bild. Stutzend runzelte er die Stirn.
»Was geht hier vor sich?«, fragte ein sichtlich verärgerter Autofahrer, nachdem er ausgestiegen war, die Tür zugeschlagen hatte und um sich blickte.
»Mein Wagen ist gerade ausgegangen und will nicht mehr anspringen«, sagte ein zweiter zu ihm.
Gordon stand da und ließ alles einfach auf sich wirken.
»Was ist das?«, rief jemand laut und deutete in den Himmel gen Osten.
Als Gordon der Richtung mit den Augen folgte, in welche der Mann zeigte, machte er eine Lichtquelle aus, die kleiner als die Sonne und nicht ganz so hell war.
Beim Starren auf diese glühende Kugel bekam er die Bemerkungen der anderen mit, während die am Unfall Beteiligten durcheinander schrien. Mancher beschwerte sich über nicht mehr funktionierende Mobiltelefone und liegengebliebene Autos.
»Oh mein Gott, es wird auf uns herabstürzen!«, kreischte eine Frau weiter unten auf der Straße, die neben ihrem Wagen stand.
Gordon drehte sich zu ihr um und folgte ihrem Blick hinauf zum Himmel. Dort befand sich ein Flugzeug im freien Fall. Es war noch weit entfernt, aber schon tief genug, um es als Verkehrsflugzeug zu identifizieren. Es sah wie ein Spielzeug aus, während es nach unten sauste. Das gesamte Szenario mutete surreal an. Er stand wie erstarrt da und verfolgte den Absturz, bis der Flieger an einem Hang in der Ferne aufschlug und in einem roten Feuerball explodierte.
Schreie des Entsetzens folgten auf den Crash. Viele der Menschen rings um Gordon waren wie vom Blitz getroffen durch das, was sie gerade erlebt hatten. Endlich überwand er seine vorübergehende Lähmung und lief los – nach Hause. Er wollte so schnell er konnte zurückkehren.
Auf dem Weg nach Hause besann sich Gordon seiner militärischen Ausbildung. Er begann, die Lage einzuschätzen, wobei seine Anhaltspunkte zusehends ein Bild ergaben. Sein Herz klopfte heftig.
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