The End (Die neue Welt)
also galt es, schnell zu handeln.
13. Dezember 2014
›Das einzige Mittel gegen Schmerzen sind Taten.‹
G.H. Lewes
San Diego, Kalifornien
Gordon saß wie erschlagen auf der Bettkante. Die Vorstellung, zu Masons Beerdigung gehen zu müssen, war ihm unerträglich. Der Gedanke daran, dass er hätte schneller handeln können, ließ ihn nicht los. Bedauern stellte sich ein, weil er seine Vorgehensweise anzweifelte. Er glaubte, beim Durchsuchen des Krankenhauses zu zaghaft gewesen zu sein. Hätte er sich beeilt, könnte Mason vielleicht noch leben. Zudem plagten ihn Schuldgefühle, weil er nicht von vornherein mehr Vorräte angelegt hatte.
Seit jenem Abend hatte er Jimmy nicht wiedergesehen. Die ganze Angelegenheit bereitete der Gemeinde eine Menge Kummer und war umstritten. Alle waren betrübt, als sie von Masons Tod erfuhren, wobei einige ein Politikum daraus machten, um Gordon einen Schlag zu versetzen. Dan hatte ihn noch in der gleichen Nacht wegen des Mordes an dem unbewaffneten Fremden zur Rede gestellt. Gleich nach dem Ende ihres Streitgespräches hatte sich Bradford prompt auf den Weg zu Mindy gemacht, um ihr von dem Zwischenfall – der Erschießung und Masons Tod – zu erzählen. Letzterer schockierte die Vereinsvorsitzende zwar ebenfalls, doch auch sie nutzte ihn, um Gordon öffentlich an den Pranger zu stellen. Darum sollte nach der Beerdigung eine Sondersitzung des Ausschusses stattfinden.
Wer in Rancho Valentino lebte, war von den Gegebenheiten außerhalb der Grenzen der Wohnsiedlung abgeschottet. Mindy, die den harten Alltag der neuen Welt geistig nicht erfasste, schaffte es, Antipathien gegen Gordon zu schüren. Er selbst wünschte sich, die Leute würden ein Bewusstsein für die Außenwelt entwickeln, um zu begreifen, warum er so drastisch handelte. Viele Bewohner von Rancho Valentino waren verwöhnt und zu behütet.
Diesen Luxus genoss niemand sonst vor den Schranken des Wohngebietes; dort kam man gerade so über die Runden, oder eben überhaupt nicht. Nicht Wenige waren bereits Gewalttaten, dem Hunger oder Wassermangel zum Opfer gefallen. Jetzt leuchtete ihm umso deutlicher ein, wie wichtig es für die Gemeinschaft war, an einem Strang zu ziehen. Um ein harmonisches, produktives Zusammenleben zu gewährleisten, sah er sich selbst auf diejenigen angewiesen, die nicht mit seinem Tun übereinkamen. Mindy hingegen verfolgte Ziele, die eher persönlich motiviert waren. Sie hatte ihren abgesicherten Bereich noch nie verlassen, also auch nie die Gelegenheit gehabt, die Wirklichkeit als solche zu erfahren. Ihr ging es um Macht und Schmach für Gordon. Masons Tod ermöglichte es ihr, Gordons Strategien vor allen Leuten zu hinterfragen und darauf zu pochen, ihn abzusetzen.
Er sah es kommen, blieb aber gleichgültig, wenn er nicht gerade daran dachte, dass jede weitere Minute, in der sie sich nicht der Aufstockung ihrer Vorräte widmeten, für immer vertane Möglichkeiten bedeutete.
Er stand auf und streckte sich. Dann trottete er langsam in die dunkle Kleiderkammer, um eine Jeans und ein T-Shirt zu nehmen. Während er das Oberteil überzog, fiel ihm auf, dass es nicht den typischen Duft seiner Kleidung trug. Außerdem war das Gewebe nicht so weich wie üblich, sondern steif vom Trocknen an der frischen Luft.
Als er aus dem begehbaren Schrank kam, stieß er auf Samantha. Sie tauschten ihre gewohnten Morgengefälligkeiten aus.
Seine Frau erkannte an seiner Miene, wie schwer ihn das alles belastete. »Schatz, komm mal her«, forderte sie ihn auf.
»Was denn?«, fragte er, ohne sie anzusehen.
»Komm zu mir und umarme mich«, verlangte sie, packte Gordon und zog ihn an sich.
Sie hielt ihn einfach nur fest und küsste ihn.
»Das ist alles so verrückt«, wisperte er.
Sie flüsterte in sein Ohr: »Ich weiß, aber du musst nach vorne schauen. Wir brauchen dich und können es uns nicht leisten, dich so niedergeschlagen zu sehen.«
Gordon trat zurück und blickte sie an.
Sie sah Enttäuschung in seinen Augen und beschwichtigte ihn weiter. »Gordon, mir ist bewusst, dass du Zweifel hegst, wegen dem, was geschehen ist, doch sei dir gewiss: Ich verlass mich auf dich und glaube dir. Du hast getan, was zu unserem Schutz nötig war, und um etwas gegen Masons Asthma zu finden. Dass er starb, war nicht deine Schuld.«
»Ich hätte schneller …«
Sie hielt ihn davon ab, weiterzusprechen, indem sie mehrere Finger auf seine Lippen legte und leise betonte: »Du hast getan, was du tun musstest.
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