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The Forest - Wald der tausend Augen

Titel: The Forest - Wald der tausend Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan
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sehen, die Beine gespreizt steht er da, die Axt fest in den Händen. Travis ist hinter ihm, mit einem dicken Ast bewaffnet. Zum Angriff bereit, duckt Argos sich knurrend. Die Zäune, die den Pfad säumen, überragen beide. Das erste frühmorgendliche Licht fällt durch die Drahtmaschen und wirft zackige Schattenmuster auf uns alle.
    Schlurfende Schritte nähern sich. Ich greife nach Cass’ Hand, und sie drückt so fest zu, dass meine Knochen knacken.
    »Lass uns weiter weg gehen, irgendwohin, wo es sicherer
ist«, sage ich und ziehe sie mit. »Solange die Schnelle nicht dabei ist, können wir ihnen davonlaufen.«
    Aber wir sind noch nicht weit gekommen, als ich Harry schreien höre, dann rennt er los und die Axt fällt ihm aus der Hand. Travis humpelt hinter ihm her. Und ich sehe zwei Gestalten auf uns zukommen, einen Mann und eine Frau.
    Harry nimmt die Frau in die Arme, da erkenne ich erst meinen Bruder und seine Frau. Ich laufe den Pfad zurück und bleibe eine Armeslänge von Travis und Harry stehen, die ihre Schwester umringen und mir den Weg zu meinem Bruder verstellen.
    Jed macht einen Schritt zur Seite und sieht mich an. »Hallo, Jed«, sage ich und gehe auf ihn zu, als wäre ich das verlorene Kind, nicht er. Ich merke, dass er das zerfledderte weiße Band, das noch immer von meinem Handgelenk baumelt, mit einem Blick streift, ehe er mir prüfend ins Gesicht schaut. Einen Augenblick lang fürchte ich, dass er nichts sagen wird, aber dann breitet er die Arme aus und endlich drücke ich meinen Bruder an mich, der so lange aus meinem Leben verschwunden war. Ich kann an nichts anderes denken als an die Freundschaft, die uns einmal verbunden hat, und wie sehr er mir gefehlt hat.
    Ich trete zurück und Jed legt den Arm wieder schützend um seine Frau. Sie zieht sich einen feuchten, schmuddeligen Schal fester um die Schultern und schmiegt den Kopf an meinen Bruder. Krauses braunes Haar löst sich aus ihrem Stirnband.
    »Das Dorf ist verloren«, sagt er. Auf dem engen Pfad
stehen wir so dicht beieinander, wie wir nur können. Beth an meinen Bruder gelehnt auf der einen Seite, dann Harry und Travis, Cass und Jakob und ich auf der anderen Seite. Die Zäune schließen uns von beiden Seiten ein, ich bekomme ein wenig Platzangst und muss tief durchatmen, um ruhig zu bleiben.
    »Zu viele haben sich gewandelt«, fährt Jed fort. »Auf dem Boden ist man nicht mehr sicher.« Er zieht Beth an sich und drückt ihren Kopf sanft an seine Schulter. »Wir haben den Regen ausgenutzt, um euch zu folgen, denn wir wussten, dass dieser Pfad unsere einzige Hoffnung ist.«
    Beth schaudert bei seinen Worten und das überträgt sich auf mich.
    »Aber wie ist das möglich?«, fragt Harry. »Die Wächter sind für so einen Fall ausgebildet.«
    Jed schiebt das Kinn vor. »Die Wächter sind dazu ausgebildet, die Zäune zu flicken und einen Durchbruch von langsamen, schwerfälligen Ungeweihten zurückzuschlagen. Es war die Schnelle«, sagt er. »Die mit den seltsamen roten Kleidern. Sie war uns überlegen. Sie war zu schnell da und hat zu viele getötet. Dann haben die Toten sich gewandelt, und obwohl sie langsam waren, so waren sie doch in der Überzahl. Das war zu viel für die Wächter. Für uns alle.«
    »Aber kämpfen sie denn nicht mehr?«, fragt Harry. Ich spüre seine Frustration, seine Hände verkrampfen sich, als hätte er das Verlangen, seine Axt zu schwingen.
    Jed lässt den Kopf hängen und küsst seine Frau auf die Stirn.Tränen tropfen ihr übers Gesicht.

    Mir verschlägt es den Atem, als ich begreife, dass es das nun gewesen ist. Unser Dorf gibt es nicht mehr. Große Gewichte scheinen auf uns heruntergefallen zu sein. Schultern sacken nach vorn, Beine knicken ein.
    Hundert Gesichter flimmern mir durch den Kopf, Lehrer, Freunde, Schwestern,Wächter, Nachbarn. Alle sind sie Ungeweihte.
    Die Eltern von Beth, Harry und Travis, es gibt sie nicht mehr. Jakob wird nie wieder von seiner Mutter umarmt werden, Cass nie mehr mit ihrer Schwester spielen.
    Ich erinnere mich, wie ich mich fühlte, als ich zuerst meinen Vater und dann meine Mutter verloren habe.Was für ein vernichtender Schmerz ist das gewesen! Und ich sehe auf den Gesichtern der anderen, wie dies nun auch für sie Wirklichkeit wird, wie sie es langsam begreifen.
    Jakob scheint es aber nicht zu verstehen, ratlos schaut er von einem zum anderen.
    Um uns herum stöhnen immer noch die Ungeweihten, die sich an die Zäune krallen. Harry räuspert sich und packt Jed am Arm. »Bist

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