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The Green Mile

The Green Mile

Titel: The Green Mile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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heute Nachmittag in die Hauptstadt geschickt wird. Ich denke, es wird nicht länger als einen Monat dauern, bis du Percy zum letzten Mal siehst – von hinten, wenn er geht. Vielleicht geht es sogar schneller.«
    Der Direktor erwartete von mir Freude über diese Nachricht und er hätte ein Recht darauf gehabt. Er hatte Zeit von der Pflege seiner Frau abgezweigt, um eine Sache zu erledigen, die sonst vielleicht bis zu einem halben Jahr gedauert hätte, selbst bei Percys Beziehungen. Dennoch rutschte mein Herz in die Hose. Ein Monat! Aber vielleicht machte das so oder so nicht viel aus. Es räumte den völlig natürlichen Wunsch aus dem Wege, zu warten und eine riskantes Unterfangen aufzuschieben, und das, woran ich jetzt dachte, war wirklich riskant. Manchmal ist es besser, ins kalte Wasser zu springen, bevor man die Nerven dazu verliert. Wenn wir uns schon um Percy kümmern wollten (immer vorausgesetzt, ich konnte die anderen dazu bringen, bei meinem Wahnsinn mitzumachen – mit anderen Worten, immer vorausgesetzt, dass es ein Wir gab), konnte es genauso gut heute Nacht sein.
    »Paul? Sind Sie noch da?« Moores sprach mit gesenkter Stimme, als glaubte er, jetzt mit sich selbst zu reden. »Verdammt noch mal, ich glaube, die Verbindung ist unterbrochen.«
    »Nein, ich bin noch dran, Hal. Das sind großartige Neuigkeiten.«
    »Ja«, stimmte er zu, und wieder war ich davon betroffen, wie alt seine Stimme klang. Fast so dünn wie Papier. »Oh, ich weiß, was du denkst.«
    Nein, Direktor, das weißt du nicht, dachte ich. Nicht in einer Million Jahre könntest du das erraten, was ich denke.
    »Du denkst, dass unser junger Freund noch bei der Hinrichtung von Coffey da sein wird. Das stimmt vielleicht – Coffey wird vor Thanksgiving dran sein, denke ich -, aber du kannst Wetmore ja wieder in den Schaltraum stecken. Keiner wird etwas dagegen sagen. Er auch nicht, sollte man annehmen.«
    »Das werde ich machen«, sagte ich. »Hal, wie geht es Melinda?«
    Es folgte eine lange Pause – so lang, dass ich hätte annehmen können, ich hätte ihn aus der Leitung verloren, wenn ich nicht sein Atmen gehört hätte. Als er wieder sprach, war es viel leiser. »Sie geht dahin.«
    Dahingehen. Dieses Wort benutzten die Alten nicht, um eine sterbende Person zu beschreiben, sondern eine, die sich vom Leben loszulösen beginnt. »Die Kopfschmerzen sind wohl ein bisschen besser … im Moment jedenfalls …, aber sie kann nicht ohne Hilfe gehen, kann nichts mit den Händen greifen und halten und verliert die Kontrolle über ihre Blase, während sie schläft …« Es folgte wieder eine Pause, und dann sagte Hal mit noch leiserer Stimme etwas, was ich nicht verstand, was aber wie »sie lucht« klang.
    »Was heißt, sie lucht, Hal?«, fragte ich stirnrunzelnde. Meine Frau war durch die Tür ins Wohnzimmer gekommen. Sie trocknete die Hände mit einem Geschirrtuch ab und sah mich an.
    »Nein«, sagte Hal Moores mit einer Stimme, die zwischen Wut und Tränen schwankte. »Sie flucht.«
    »Oh.« Ich wusste immer noch nicht, was er meinte, aber ich wollte nicht näher darauf eingehen. Das brauchte ich auch nicht, denn er erklärte es von sich aus.
    »Sie ist im einen Moment noch in Ordnung, völlig normal, redet über ihren Blumengarten oder ein Kleid, das sie im Katalog gesehen hat, oder erzählt vielleicht, wie sie Roosevelt im Radio gehört hat und wie wunderbar er klang, und plötzlich, wie aus heiterem Himmel, sagt sie die scheußlichsten Dinge, die scheußlichsten … Wörter. Sie hebt nicht die Stimme. Ich denke, es wäre fast besser, wenn sie das täte, denn dann … weißt du, dann … «
    »Dann würde sie nicht wie sie selbst klingen.«
    »Genau das meine ich«, sagte er dankbar. »Aber sie in dieser schrecklichen Gossensprache mit ihrer süßen Stimme zu hören … Entschuldige, Paul.« Seine Stimme brach, und ich hörte, wie er sich räusperte. Dann sprach er weiter, mit etwas festerer, aber ebenso betrübter Stimme. »Sie will, dass Pastor Donaldson rüberkommt, und ich weiß, dass er ein Trost für sie wäre, aber wie kann ich ihn um einen Besuch bitten? Angenommen, er sitzt bei ihr, liest aus der Bibel, und sie beschimpft ihn mit einem obszönen Wort? Das könnte passieren. Sie hat es gestern Abend bei mir gemacht. Sie sagte: ›Reichst du mir bitte das Liberty -Magazin, du Schwanzlutscher?‹ Paul, wo kann sie solche Ausdrücke gehört haben? Wie kann sie diese Wörter kennen?«
    »Ich weiß es nicht, Hal. Bist du heute Abend zu

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