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The Green Mile

The Green Mile

Titel: The Green Mile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Schlafzimmer und schlief schließlich ein. Ich träumte von Mädchen mit scheuem Lächeln und Blut im Haar.

6
    Am nächsten Morgen lag ein pinkfarbener Notizzettel auf meinem Schreibtisch. Ich sollte so schnell wie möglich im Büro des Direktors vorbeikommen. Natürlich wusste ich, worum es ging – es gab ungeschriebene, aber sehr wichtige Regeln in diesem Spiel, und ich hatte mich gestern eine Zeit lang nicht an sie gehalten -, und so zögerte ich es so lange wie möglich hinaus. Wie den Besuch beim Doktor wegen meiner Probleme mit dem Wasserwerk, nehme ich an. Ich war stets der Ansicht gewesen, dass der Spruch »Verschiebe nicht auf morgen, was du heute kannst besorgen« überbewertet wird.
    Jedenfalls hetzte ich mich nicht ab, um Direktor Moores’ Büro aufzusuchen. Stattdessen zog ich meinen wollenen Uniformrock aus, hängte ihn über die Rückenlehne meines Stuhls und schaltete den Ventilator in der Ecke an – es war wieder ein heißer Tag. Dann setzte ich mich hinter den Schreibtisch und ging Brutus Howells Bericht über die Nachtschicht durch. Es gab nichts Beunruhigendes.
    Delacroix hatte nach dem Einschließen kurz geweint – das tat er in den meisten Nächten, und er weinte mehr um sich als um die Leute, die er lebend geröstet hatte, dessen bin ich mir ziemlich sicher -, und dann hatte er Mr. Jingles, die Maus, aus der Zigarrenkiste genommen, in der sie schlief. Das hatte Del beruhigt, und er hatte den Rest der Nacht wie ein Baby geschlafen. Mr. Jingles hatte wahrscheinlich den längsten Teil der Nacht auf Delacroix’ Bauch verbracht, den Schwanz über die Pfoten gelegt, die Augen offen. Es war, als hätte Gott entschieden, dass Delacroix einen Schutzengel brauchte, aber in Seiner Weisheit hatte er sich gesagt, dass es nur eine Maus sein konnte für so eine Ratte wie unseren mörderischen Freund aus Louisiana. Natürlich stand nicht all das in Brutals Bericht, aber ich hatte selbst genug Nachtschichten geschoben, um zwischen den Zeilen lesen zu können. Da war eine kurze Notiz über Coffey. »Lag wach, meistens ruhig, weinte vielleicht etwas. Ich versuchte, ein Gespräch in Gang zu bringen, aber nach ein paar mürrischen Antworten von Coffey gab ich auf. Paul oder Harry haben vielleicht mehr Glück.«
    »Ein Gespräch in Gang bringen« war eigentlich die zentrale Aufgabe unseres Jobs. Ich wusste es zu diesem Zeitpunkt nicht, aber wenn ich es aus der Sicht dieses seltsamen Alters betrachte (ich denke, dieses Alter muss seltsam für alle Leute sein, die es durchmachen), verstehe ich, was es war und warum ich es damals nicht erkannte – es war zu groß, so entscheidend für unsere Arbeit, wie unser Atmen für unser Leben war. Es war nicht wichtig, dass die Springer gut darin waren, »ein Gespräch in Gang zu bringen«, aber es war lebenswichtig für mich und Harry und Brutal und Dean … und das war einer der Gründe, weshalb Percy Wetmore solch eine Katastrophe war. Die Insassen hassten ihn, die Wärter hassten ihn … jeder hasste ihn wahrscheinlich, mit Ausnahme von seinen politischen Verbindungen, Percy selbst und vielleicht (aber nur vielleicht) seiner Mutter. Er war wie eine Dosis Arsen in einem Hochzeitskuchen, und ich denke, ich wusste von Anfang an, dass er Unheil bedeutete. Er war wie ein Unglück, das über kurz oder lang eintreten muss. Was uns andere anging, so hätten wir über die Vorstellung gespottet, dass wir hauptsächlich nicht als Wärter fungierten, sondern als Psychiater der zum Tode Verurteilten – ein Teil von mir will heute immer noch darüber spotten -, aber wir wussten, wie man ein Gespräch in Gang bringt … und ohne Gespräche hatten die Männer, die sich Old Sparky stellen mussten, die Neigung, wahnsinnig zu werden.
    Ich notierte am Fuß von Brutals Bericht, dass ich mit John Coffey reden würde – es wenigstens versuchen würde -, und widmete mich dann einer Notiz von Curtis Anderson, dem stellvertretenden Gefängnisdirektor. Anderson erwartete sehr bald eine DOE-Anweisung für Edward Delacrois (Schreibfehler von Anderson, der Name lautete richtig Eduard Delacroix). DOE stand für »Date of Execution«, also Tag der Hinrichtung, und laut Notiz hatte Curtis Anderson aus glaubwürdiger Quelle erfahren, dass der kleine Franzose den Spaziergang kurz vor Halloween antreten würde – er schätzte, am 27. Oktober, und Curtis Andersons Schätzungen basierten meist auf zuverlässigen Informationen. Aber zuvor konnten wir einen Neuzugang namens William Wharton erwarten. »Er

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