The Green Mile
stampfte Percy mit der Sohle seines harten schwarzen Arbeitsschuhs auf ihn. Es gab ein hörbares Knacken, als Mr. Jingles’ Rückgrat brach, und Blut schoss aus seiner Schnauze. Seine kleinen schwarzen Augen quollen aus den Höhlen, und ich sah darin einen Ausdruck von Überraschung und Todesqual, der nur allzu menschlich war. Delacroix schrie vor Entsetzen und Trauer. Er warf sich gegen die Tür seiner Zelle und streckte die Arme so weit, wie er konnte, zwischen den Gitterstäben hindurch, und er schrie immer wieder den Namen der Maus.
Percy wandte sich zu ihm um – zu uns dreien – und lächelte. »Na also«, sagte er. »Ich wusste, dass ich ihn erwische, früher oder später. Wirklich nur eine Frage der Zeit.« Er machte kehrt, ging in aller Ruhe die Green Mile hinauf und ließ Mr. Jingles auf dem Linoleum in einer Blutlache liegen, die sich immer weiter ausbreitete.
Teil vier
Der schlimme Tod des Eduard Delacroix
1
Abgesehen von all der Schreiberei, führe ich ein kleines Tagebuch, seit ich in Georgia Pines wohne – keine große Sache, nur ein paar Absätze am Tag, hauptsächlich über das Wetter. Gestern Abend habe ich darin geblättert. Ich wollte sehen, wie lange es her ist, seit mich meine Enkel, Christopher und Danielle, mehr oder weniger nach Georgia Pines gezwungen haben. »Zu deinem eigenen Besten, Opa«, sagten sie. Natürlich meinten sie es so. Sagen das die Leute nicht meistens, wenn sie endlich eine Lösung gefunden haben, wie sie ein Problem loswerden können, das geht und spricht?
Es ist etwas über zwei Jahre her. Das Unheimliche ist, dass ich nicht weiß, ob es sich wie ein Jahr oder länger kürzer anfühlt. Mein Zeitgefühl schmilzt anscheinend wie der Schneemann eines Kindes bei Tauwetter im Januar. Es ist, als ob die Zeit, wie sie bisher immer war – Eastern Standard Time, Sommerzeit, Arbeitszeit -, nicht mehr existierte. Hier gibt es nur Georgia Pines Time, und das ist Alte-Männer-Zeit, Alte-Frauen-Zeit und Piss-ins-Bett-Zeit. Der Rest … alles weg.
Es ist ein verdammt gefährlicher Ort. Man merkt es zuerst nicht, man denkt, er ist nur langweilig, in etwa so gefährlich wie eine Kinderkrippe zur Mittagsschlafzeit, aber er ist gefährlich, das kann ich Ihnen sagen. Seit ich hier bin, habe ich viele Leute in die Senilität abgleiten sehen, und manchmal ist es kein Gleiten – manchmal geht es mit der Geschwindigkeit eines nottauchenden U-Boots hinab. Wenn sie herkommen, sind sie meistens in Ordnung – mit trüben Augen, auf den Stock angewiesen, mit vielleicht etwas schwacher Blase, aber sonst okay -, und dann passiert etwas mit ihnen. Einen Monat später sitzen sie nur noch im Fernsehraum, starren mit stumpfem Blick zu Oprah Winfrey auf den Bildschirm und halten ein vergessenes Glas Orangensaft schief und tröpfelnd mit zittriger Hand. Einen Monat später muss man ihnen die Namen ihrer Kinder sagen, wenn die zu Besuch kommen. Und wieder einen Monat später muss man sie an ihren eigenen Namen erinnern. Wie ich schon sagte, etwas passiert mit ihnen: Die Georgia-Pines-Zeit passiert mit ihnen. Die Zeit hier ist wie eine schwache Säure, die zuerst die Erinnerung auslöscht und dann den Wunsch weiterzuleben.
Man muss dagegen ankämpfen. Das sage ich auch Elaine Connelly, meiner besonderen Freundin. Es ist besser für mich geworden, seit ich aufschreibe, was mir 1932 passiert ist, das Jahr, in dem John Coffey auf die Green Mile kam. Einige der Erinnerungen sind schrecklich, aber ich spüre, dass sie meinen Verstand und mein Bewusstsein schärfen wie ein Messer einen Bleistift, und das ist den Schmerz wert. Aber das Schreiben und die Erinnerung allein sind nicht genug. Ich habe auch einen Körper, so verfallen und grotesk er vielleicht jetzt sein mag, und ich trimme ihn, soviel ich kann. Zuerst war es hart – mit alten Knackern wie mir ist nicht viel los, wenn es um Leibesübungen nur um der Fitness willen geht -, aber es ist jetzt leichter, weil meine Spaziergänge einen Zweck haben.
Ich mache meinen ersten Spaziergang vor dem Frühstück – meistens, sobald es hell wird. Heute Morgen hat es geregnet, und bei feuchtem Wetter schmerzen meine Gelenke, aber ich nahm einen Poncho von den Garderobenhaken bei der Küchentür und ging trotzdem hinaus. Wenn man eine Aufgabe hat, muss man sie erfüllen, und wenn das schmerzt, ist es nicht zu ändern. Außerdem gibt es Belohnungen. Die größte ist, das Gefühl für die wahre Zeit zu behalten, im Gegensatz zu der Georgia-Pines-Zeit. Und ich
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