The Haunted
auf Bürgermeister Archer, und ich vermutete, dass Mom und Dad noch mit ihm reden wollten, bevor wir fuhren. »Ich warte am Auto«, sagte ich zu Mom. »Aber macht es nicht zu lange, ja?«
»Natürlich nicht«, antwortete sie, doch ich wusste, dass sie mit den Gedanken bereits woanders war.
Der Verkehrspolizist war verschwunden und ich musste erst mehrere Autos passieren lassen, ehe ich über die Straße zur alten holländischen Kirche kam. Bei der Einfahrt zum Parkplatz bemerkte ich, dass dort nur noch eine Handvoll Autos standen und kein Mensch in der Nähe war. Ich ging auf die Seite der Kirche, die der Straße abgewandt war, und stieg auf ein Steinmäuerchen, das aus dem Fundament herausragte.
Hier war es ruhig und man hatte einen guten Blick auf die älteren Grabsteine in diesem Teil des Friedhofs. Sie waren kunstvoll verziert und mit wunderschön geschwungenen Schriften geschmückt, die reliefartig aus dem Granit hervortraten. Es gab viele Doppelgrabsteine als letzte Ruhestätte für Ehepaare, bei deren Anblick mir immer ein wenig das Herz wehtat.
Ich lehnte mich zurück und stützte die Arme auf. Unter den Handflächen spürte ich den Gegensatz zwischen glattem Stein und rauen Mörtelkanten. Die Steine waren angenehm warm. Ich reckte das Gesicht in die Sonne, die zwischen den Wolken hervorbrach, und schloss die Augen. Endlich war ich allein, und das fühlte sich gut an.
Eine Mücke summte um mein Ohr herum. Ich schlug danach und wandte dann das Gesicht zur Seite in dem Glauben, das sei alles gewesen. Nichts weiter als ein lästiges Insekt.
Aber dann sah ich sie.
Ein komisches, zittriges Gefühl durchlief mich, ich hatte plötzlich am ganzen Körper eine Gänsehaut. Meine Finger klammerten sich reflexartig am Stein fest und ich zwang mich, ruhig zu bleiben. Es ist doch nur ein Paar, nichts weiter.
Sie liefen auf der anderen Seite des Friedhofs zwischen den Gräbern hindurch. Pendelten hin und her und gingen um Grabsteine herum. Als sie näher kamen, konnte ich sehen, was sie anhatten. Es war … seltsam. Sogar in dieser Stadt, die nicht gerade wenige Gothics und Möchtegern-Vampire aufzuweisen hatte, fielen sie definitiv auf.
Er trug ausgebeulte schwarze Skater-Shorts mit einer Kette für die Brieftasche, eine doppelte Lage langärmlige Shirts in Rot und Schwarz, die für den Sommer viel zu warm aussahen, und obendrein hatte er die Augen mit einer dicken Schicht Eyeliner umrandet. Den krönenden Abschluss bildete ein schwarzer Irokesen-Schnitt.
Das Mädchen hatte einen Minirock mit einem Schottenmuster in Schwarz und Rot an, dazu zerrissene Netzstrumpfhosen und Bikerboots, deren Schnürsenkel zu ihrem Mini-T-Shirt passten. Ihr Haar war schulterlang, neonlila und unten ungefähr fünfzehn Zentimeter blassblond gefärbt.
Ich kannte die beiden nicht und so blieb ich sitzen und hoffte, sie würden einfach weitergehen.
Aber mein Bauch sagte mir, dass sie das nicht tun würden.
Deshalb setzte ich vorsichtshalber schon mal das falsche Lächeln auf, das mir während der Feier so gute Dienste geleistet hatte, und wartete darauf, dass sie näher kamen. Sie blieben erst dicht vor mir stehen.
Beide waren extrem blass. Ihre Haut war beinahe durchsichtig und hatte einen stumpfen Glanz wie Pergament. Und ich dachte, ich kriege zu wenig Sonne ab. Auch ihre Augen waren seltsam. Sehr groß und klar. Wenn sie überhaupt eine Farbe hatten, dann am ehesten einen Anflug von Grau. Sie mussten Geschwister sein.
»Weißt du, wo hier die nächste Tankstelle ist?«, fragte das Mädchen. »Ich brauche unbedingt ’ne Cola.«
Ihre Stimme war unglaublich. Absolut kristallklar. Ich hatte die seltsame Vorstellung, dass sie mir ihre Frage vorgesungen hatte, und fühlte mich sofort wieder ganz zittrig. Endlich wurde mein Kopf wieder klar und ich versuchte, meine Gefühle – eine Mischung aus Ehrfurcht und totaler Verlegenheit – zu verbergen.
»Sie ist, äh … also, das ist, äh …« Mein Orientierungssinn war vollkommen hinüber. Mein Gehirn war wie vernebelt. »Da ist, mmh, eine Tankstelle ein paar Blocks da hinauf, rechts. Ihr geht einfach den Gehsteig weiter … ich glaube …«
Der Typ grinste mir zu und das Mädchen flötete ein Dankeschön. Sie starrten mich beide an, bis ich den Blick senkte.
»Wohnst du hier in der Gegend?«, fragte mich die »Sängerin«.
»Ja, ich bin Abbey Browning.« Die Worte entglitten meinem Mund, noch ehe ich sie zurückhalten konnte.
Sie lächelte und zeigte perfekt weiße, makellose
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