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The Haunted

The Haunted

Titel: The Haunted Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Verday
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Monument bekommen hatte, musste er der Patriarch der Familie gewesen sein.
    Von Ehrfurcht ergriffen hielt ich inne und verneigte mich kurz. Sollte ich vielleicht ein Gebet sprechen? Bruchstücke eines katholischen Dankgebets kamen mir in den Sinn, doch als ich die Worte in den Mund nehmen wollte, fühlten sie sich fremd und unangebracht an. Also bekreuzigte ich mich stattdessen und murmelte: »Ruhe in Frieden.« Und ich hoffte, dass es Mr Abbott nicht zu sehr störte, wenn ich in der letzten Ruhestätte seiner Familie herumstöberte.
    Falls er sich natürlich entschließen sollte, mich aus dem Jenseits zu besuchen … Aber was bedeutete schon ein Geist weniger oder mehr?
    Rechts von dem Quader stand ein eisernes Bänkchen und darauf lag ein … Jackett? Das konnte nur von Caspian sein. Ein Verlangen, es anzuziehen, überkam mich und fast hätte ich es getan …
    Doch dann sah ich die Bilder.
    Es waren Zeichnungen von mir. Dutzende. Sie bedeckten fast die gesamte Wand neben der Bank. Kohleskizzen in Schwarz-Weiß, die alle mich zeigten – stehend, sitzend, lächelnd, stirnrunzelnd, düster blickend, weinend … Sie waren wirklich beeindruckend.
    Vorsichtig fuhr ich mit einem Finger um eines der Blätter herum. Wer war dieses Mädchen? Sie wirkte so traurig wie sie schön war. Das konnte nicht ich sein. So hübsch war ich einfach nicht.
    Plötzlich lief etwas heißes Wachs an meinem Daumen hinunter. Es tat weh; der Lichtschein begann, zu flackern und zu taumeln, und warf tanzende Schatten in den Raum. Ich entdeckte in meiner Nähe mehrere aufgeschichtete Kartons. Neugierig trat ich näher.
    Zwei von ihnen waren umgedreht und dienten als Tische, doch einige der kleineren enthielten etwas. Ich stellte die Kerze ab, kniete nieder und warf einen Blick hinein.
    In einem Karton fand ich einen Wecker, einen Rahmen mit einem alten Schulbild darin, einige Bücher und ein paar Kleidungsstücke. Als ich das Bild in die Hand nahm, durchlief mich ein Schauder. Es war fast, wie in seinem Zimmer zu sein. Neben dem Wecker entdeckte ich eine Ausgabe der »Legende von Sleepy Hollow«. Ich lächelte. Anscheinend hat er es endlich geschafft, es zu lesen.
    Auf einem der umgedrehten Kartons lagen ein Zeichenblock, ein Satz Kohlestifte und ein weiteres Buch. Es war eines der Weihnachtsgeschenke, die ich ihm gegeben hatte. Ich schlug es auf und blätterte durch die Illustrationen vom Sternenhimmel.
    Ein plötzliches Kratzen ließ mich zusammenfahren. Die Tür ging auf. Vor Schreck ließ ich Buch und Kerze fallen. Die Kerze rollte über den Boden, zischte und erlosch dann.
    Caspian war überrascht, mich zu sehen. »Abbey?«
    Ich wusste nichts zu sagen. Mein Blick fiel auf meine Füße und ich bemerkte, dass das Buch aufgegangen war und einige Seiten nach oben herausstanden. Ich hob es auf und legte es wieder auf den Karton.
    Anstatt mich zur Rede zu stellen, wandte Caspian sich einfach ab.
    »Wie hast du diesen Ort gefunden?«, fragte er endlich.
    »Ich – ich habe dich gesehen. Ich, äh, wollte mal nach dir schauen.«
    »Weshalb?«
    »Weiß ich nicht. Ich glaube, ich wollte einfach … Ich wollte dich nach dem gestrigen Abend einfach wiedersehen.«
    »Und deshalb kommst du hier herein und durchsuchst meine Sachen?«
    Ich merkte, wie ich errötete, und hoffte, dass man es im Halbdunkel nicht sehen konnte. Doch dann wurde ich wütend. »Na ja, du hast dich schließlich bei meinem Haus herumgetrieben! Und …« Ich blickte zu den Zeichnungen hinüber. »Und du hast mich verfolgt!«
    Caspian folgte meinem Blick. »Du hast die Zeichnungen gesehen? Was hast … Was hast du dabei gedacht?« Sein hoffnungsvoller Blick brachte mich völlig aus dem Gleichgewicht.
    »Ich … mmm … ich dachte, sie sind wirklich gut. Ich meine, ich sehe natürlich niemals so aus. So hübsch, meine ich …« Ich wurde schon wieder rot. Dann entschied ich mich, ehrlich zu sein. »Eigentlich war es irgendwie seltsam.«
    »Ich verfolge dich nicht« ,entgegnete er und ich zog verwundert eine Braue hoch. »Nein!«, protestierte er. »Ich habe das alles aus dem Gedächtnis gezeichnet. Das ist sozusagen meine Art, dich hier bei mir zu haben.«
    In diesem Augenblick wünschte ich mir verzweifelt, die Kerze noch in der Hand zu haben. Ich wollte sein Gesicht deutlicher sehen. Meinte er das wirklich? Er hatte mich gezeichnet, um mich hier bei sich zu haben? Ich wusste nicht, ob ich das als total gruselig empfinden oder einfach dahinschmelzen sollte.
    »Sie sind wirklich gut«,

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