The Hollow
offensichtlich abgenommen worden. Ich stampfte die Treppe hinauf und überlegte, wie viele Flaschen Lavendelöl ich ganz aus Versehen in meinem Zimmer verschütten konnte.
Am Samstagmorgen verschlief ich und das war der perfekte Beginn eines beschissenen Tages, auf den ich mich jetzt schon kein bisschen freute. Ich hatte keine Zeit mehr zu frühstücken, deshalb hatte ich mordsmäßig schlechte Laune, als ich mit knurrendem Magen die Abkürzung über den Friedhof nahm, um zur Schule zu gehen. An einem Samstag.
»Hey, Abbey.« Seine Stimme ließ mich zusammenzucken.
Ich fuhr herum. »Caspian, hi.« Mein Tag veränderte sich schlagartig von sehr schlecht zu sehr gut.
»Wie geht’s dir?« Er stand in der Nähe der Brücke.
»Gut. Und dir?« Ich lächelte ihn schüchtern an und traute mich nicht, ihm direkt in die Augen zu sehen.
»Mir geht’s gut. Richtig gut. Was hast du heute vor? Hast du Lust, ein bisschen abzuhängen?« Er bedachte mich mit einem hinreißenden kleinen Lächeln.
Wäre es schlimm, ihn unwiderstehlich zu nennen? Wahrscheinlich. Jungs mögen es normalerweise nicht, wenn Mädchen ihnen solche Vokabeln anhängen.
»Ja, ich …« Dann fiel mir ein, wohin ich musste. »Ich meine, ich hätte echt Lust dazu, aber ich muss zu dieser blöden Sache in der Schule.«
»Kann man nichts machen. Dann ein anderes Mal.«
Bildete ich es mir nur hoffnungsvoll ein oder sah er wirklich enttäuscht aus? »Was ist mit nächster Woche? Ich könnte dir Washington Irvings Grab zeigen. Sollen wir uns hier treffen, nächsten Samstag um halb zwölf?« Dann hätte ich immer noch genügend Zeit, falls ich wieder zu so einem blöden Meeting müsste. Mein Bauch war voller Schmetterlinge, würde er es ablehnen?
»Das ist ein Date«, sagte er zustimmend. »Tschüss, Abbey. Bis nächste Woche.« Er drehte sich um und ging.
»Tschüss, Caspian«, rief ich ihm nach. Er blieb stehen und grinste mich über seine Schulter breit an. Ich grinste zurück wie die Cheshire-Katze. Was hatte er bloß an sich, das mich so lächerlich glücklich machte?
Ich hatte überschäumend gute Laune, als ich in der Aula ankam. Selbst die tödlichen Blicke von Shana und Erika konnten mir nichts anhaben.
»Ich habe fettreduzierte Bio-Blaubeermuffins und Mineralwasser für alle mitgebracht«, teilte Shana mir missmutig mit und zeigte auf einen in der Nähe stehenden Tisch. »Iss nicht gleich alle auf, okay?« Erika lachte, aber ich tat so, als hätte ich ihre Worte nicht gehört.
Ich hätte an ihrer Stelle ein Dutzend Donuts mit Zuckerguss mitgebracht, aber da ich solchen Hunger hatte, konnte ich es mir nicht leisten, wählerisch zu sein.
Ich ging zu dem Tisch, schnappte mir einen Muffin und steckte einen weiteren für später ein. Dann nahm ich eine Flasche Wasser. Ich setzte mich auf einen Stuhl in der Nähe der anderen, aber nicht nah genug, um mich unterhalten zu können.
Unauffällig sah ich mich um und zählte zwölf – tatsächlich zwölf, ob das wirklich nötig war?! – Leute in der Abschlusskomitee-Versammlung. In einer anderen Ecke der Aula standen einige Tische mit Schachbrettern darauf. Zwei Typen beugten sich darüber und ein dritter stand an der Seite und beobachtete jeden Zug. Als ich die lockigen braunen Haare sah, entdeckte er mich auch – Ben sah zu mir herüber, grinste breit und albern und winkte wie blöde.
Ich versuchte, möglichst diskret zurückzuwinken, bevor ich mich dem Muffin in meiner Hand widmete. Ich hätte wissen sollen, dass er auch hier sein würde.
Anderthalb Minuten später bedauerte ich zutiefst, dass ich in den Muffin gebissen hatte.
Bio schien zu bedeuten, dass er aus biologischen Sägespänen hergestellt worden war oder so etwas, denn genau so schmeckte er. Ich versuchte, ihn mit einem großen Schluck Wasser hinunterzuspülen, aber das hatte nur zur Folge, dass sich die trockene, krümelige Masse in meinem Mund in eine feuchte, pappige Masse verwandelte.
Ich kämpfte gegen einen automatischen Würgereiz an und wünschte verzweifelt, ich hätte eine Serviette bei mir. Dann hätte ich dieses scheußliche Muffinimitat wenigstens ausspucken können. Genau in diesem Moment stellte Shana mich als besonderes »Ehrenmitglied« vor, worauf sich alle umdrehten und mich anstarrten. Ich betete, dass sich kein Muffinkrümel aus meinem Mund verirrt hatte, als ich schwach und mit geschlossenen Lippen in die Runde lächelte.
Die meisten schauten wieder weg, als Erika anfing zu sprechen, und ich kaute wie wild
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