The Hollow
sie nur an. Erwartete sie eine Antwort? Ich sagte das Erstbeste, was mir in den Sinn kam. »Oh ja, ich … äh … mir ist gerade eingefallen, dass ich jetzt Englisch habe. Eins meiner Bücher ist noch hier.« Ich lächelte gequält. Ob es half? Ob sie mich in Ruhe lassen würden?
»Also, es dauert nur eine Minute. Ich bin sicher, dass du noch jede Menge Zeit hast. Du kennst Erika, oder?«
»Hey«, sagte Erika, die viel länger gebraucht hatte, zu meinem Spind zu kommen. Wahrscheinlich lag es daran, dass sie auf dem Weg von einem Ende der Halle zum anderen von nicht weniger als sieben Jungs angehalten worden war.
Ich schenkte ihr ein gezwungenes Lächeln. Wenn ich nicht viel sagte, würden sie vielleicht schneller wieder gehen. Ich klammerte mich an diese vage Hoffnung.
»Jedenfalls«, sagte Shana mit gelangweiltem Gesichtsausdruck, »was hältst du davon, dieses Jahr dem Abschlusskomitee beizutreten? Natürlich nur als Ehrenmitglied, aber wir wollen dir eine Chance geben wegen du-weißt-schon-was.«
Ich hatte keine Ahnung, wovon sie redete. »Tut mir leid, ich verstehe kein Wort.«
»Verstehen?«, schnappte Erika. »Was gibt’s da zu verstehen? Wir stellen dir eine Frage und du sagst Ja oder Nein.«
Ja, schon, aber warum stellten sie mir diese Frage?
Erika antwortete auf meine unausgesprochenen Gedanken. »Sieh mal, du bist mir scheißegal und es ist mir auch scheißegal, ob du dem Komitee beitrittst oder nicht. Jeder weiß, dass du auf dieser Ich-armes-Ding-meine-Freundin-ist-tot-Sache herumreitest, und alle Lehrer nehmen es dir ab. Vor allem Direktor Meeker. Er hat uns gezwungen, dich zu fragen als irgendeine verquere Art von Respektbezeugung zum Andenken an diese Kristen.«
Das muss ich mir zugutehalten: Ich habe es tatsächlich geschafft, ein ungläubiges Schnauben zu unterdrücken. Was war das für ein Paralleluniversum, in dem das Angebot, Ehrenmitglied im Abschlusskomitee zu werden, etwas mit einer Respektbezeugung zum Andenken an Kristen zu tun hatte? Bevor ich auch nur anfangen konnte, der Logik dieses Gedankengangs zu folgen, redete Shana schon weiter.
»Weil die Abschlussveranstaltung im Oktober stattfindet, sind die wichtigsten Pläne natürlich alle schon im Frühjahr gemacht worden. Jetzt müssen die offiziellen Komiteemitglieder nur noch entscheiden, welche Farbkombinationen für die Dekoration verwendet werden sollen, welche Gastgeschenke es gibt, ob der Punsch mit oder ohne Sorbet serviert wird … solche Dinge eben. Als Ehrenmitglied würdest du … würdest du zuhören, welche Entscheidungen wir treffen.«
»Ich persönlich bin gegen Sorbet in diesem Jahr«, ging Erika dazwischen. »Dieses Zeug ist ekelhaft. Es ist mir egal, dass es weniger dick macht als normales Eis, es geht trotzdem direkt auf die Hüften.«
»Keine Sorge, Erika, wir werden dieses Jahr ganz bestimmt kein Sorbet im Punsch haben. Dafür leg ich meine Hand ins Feuer.« Shana hatte, was das Sorbet betraf, ihre Wahl bereits getroffen.
Ich gab mir die größte Mühe, nicht an all die Packungen Chocolate-Chips-Cookie-Dough-Eis zu denken, die Kristen und ich bei unseren zahlreichen Übernachtungsbesuchen vertilgt hatten. Es war quasi eine Voraussetzung für einen Übernachtungsbesuch gewesen. Ich dachte auch nicht an die Tatsache, dass ich Sorbet im Punsch sehr gern mochte und immer darauf aus war, etwas davon in mein Glas zu bekommen.
Aber das spielte ohnehin keine Rolle, weil ich unter keinen wie auch immer gearteten Umständen Ehrenmitglied im Abschlusskomitee werden wollte. Oder sonst ein Mitglied. Die Planung der Abschlussveranstaltung verträgt sich nicht mit meinen religiösen Überzeugungen – das müsste als Ablehnungsgrund gelten. Etwas anderes fiel mir nicht ein.
»Also«, fuhr Shana fort, »wie Erika bereits sagte, uns ist es egal, was du tust. Aber Direktor Meeker ist es nicht egal und er hat uns den ersten Zugriff auf die Karten für die Abschlussfahrt versprochen, wenn du mitmachst. Und das heißt: Du wirst mitmachen. Das erste Treffen findet morgen um 9 Uhr in der Aula statt.«
»Komm nicht zu spät, du Niete«, sagte Erika und boxte mich heftig auf die linke Schulter, was mich rückwärts gegen die Spindtür stolpern ließ.
Beide lachten, drehten sich um und gingen, während ich mir mit einer Hand meine schmerzende Schulter rieb.
Ich versuchte immer noch, einen zusammenhängenden, vernünftigen Satz zu bilden, um ihre Aufforderung schlicht und einfach abzuschmettern, aber alles, was herauskam, war
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