The Hollow
unbefangen miteinander umgehen konnten.
Endlich kam der Samstagmorgen. Es war nicht kalt und regnerisch, wie es meiner Meinung nach hätte sein sollen, sondern hell und sonnig. Ich zog mir die Decke über den Kopf und blieb so lange wie möglich im Bett, bis Mom mich irgendwann zum Aufstehen zwang, weil ich ihr helfen sollte, ein paar Kostüme vom Dachboden herunterzuholen.
Jedes Jahr veranstaltete der Stadtrat am Abend des Abschlussballs eine Halloween-Party, genannt Hollow Ball. Der eigentliche Grund dafür war, so vermutete ich jedenfalls immer, die Eltern der Schüler davon abzuhalten, sich Sorgen zu machen, was ihre Kinder wohl so treiben könnten. Meistens schien das auch zu funktionieren.
Mom und Dad gingen immer als Katrina van Tassel und Ichabod Crane zu der Party. Sie hatten sich absolut hinreißende »authentische« Kostüme machen lassen. Sie waren zwar etwas steif und schwer, aber trotzdem hinreißend. Einmal hatte ich versucht, Dad zu überreden, als Mr Irving zu gehen, weil ich fand, der Erzähler der Geschichte hätte es verdient, dass sich jemand als er verkleidete, aber dann fand Mom es nicht richtig, dass Katrina van Tassel mit Washington Irving zusammen aufkreuzte. Warum auch immer.
Wir packten gerade das Zubehör aus, als eine dicke Staubwolke aus der gepuderten Perücke quoll, die ich in der Hand hielt, und mich zum Niesen brachte.
»Wenn das so sorgsam verpackt war, wie es sich gehört, wieso ist es dann so staubig geworden?«, fragte ich Mom.
Sie sah von der Jacke auf, die sie gerade ausschüttelte. »Keine Ahnung. Vielleicht war es ein Rest Gesichtspuder vom vorigen Jahr. Wisch nicht alles weg. So sieht es noch echter aus.«
»Wenn du gern Spinnen in den Haaren haben möchtest – mir soll’s recht sein«, sagte ich und legte die Perücke beiseite.
Sie lachte und warf einen Satinschuh nach mir. »Hier, guck mal, ob da Spinnen drin sind.« Dann wurde sie ernsthaft. »Bist du sicher, dass du heute Abend nicht mit uns zu der Party gehen willst? Du könntest aber auch allein zum Abschlussball gehen. Sicher triffst du dort jede Menge Freunde. Und wer weiß, wen du kennenlernen könntest. Wir könnten dich auf dem Weg dort absetzen.«
Ich seufzte. War sie immer schon so penetrant gewesen? In letzter Zeit auf jeden Fall.
»Ich werde heute Abend nicht zu der Party gehen, Mom, und ganz bestimmt nicht zum Abschlussball. Ich weiß genau, wen ich dort treffen würde … jemanden, der bereits ein Date hat. Außerdem habe ich gar keine Eintrittskarte dafür, geschweige denn ein Kleid, das ich mir ausgesucht hätte. Außerdem weißt du ganz genau, wie sehr Kristen und ich uns gewünscht hatten, zusammen dorthin zu gehen. Ich finde es nicht richtig, ohne sie zu gehen.«
Sie sah ganz aufgeregt aus. »Wir könnten doch noch ein anderes Kleid besorgen. Ich wollte dich bis jetzt ja nicht drängen, aber das hier ist dein erster Abschlussball. Eigentlich müsste uns vor lauter Aufregung ganz schwindlig sein und wir müssten viel zu viel Geld für das perfekte Kleid ausgeben.« Sie legte den Kopf auf die Seite. »Ich habe voriges Wochenende ein hinreißendes schwarzes Satinkleid in einem Brautladen gesehen. Ich wette, es hängt immer noch da. Ich bin sicher, dass es dir gefallen würde.«
Es kam mir so vor, als hätte sie neunzig Prozent von dem, was ich gerade gesagt hatte, gar nicht gehört.
»Nein, Mom«, sagte ich entschieden. »Vielen Dank, aber ich bleibe lieber hier. Es gibt sicher ein paar Gruselfilme im Fernsehen, die ich mir ansehen kann. Außerdem muss jemand hierbleiben wegen der Halloweenkinder.« Ich wusste, sie hätte gern weiter darüber gesprochen, aber glücklicherweise ließ sie es bleiben. Schweigend packten wir den Rest der Kostüme aus.
Als wir fertig waren, ging Mom ihr Kostüm anprobieren und ich öffnete die Packungen mit Süßigkeiten für die Halloweenkinder. Ich hatte gerade alles in Schalen verteilt, als sie zurückkam.
»Wie sehe ich aus?«, fragte sie.
»Genau wie letztes Jahr«, erwiderte ich. Sie zog einen Schmollmund und ich warf einen Schokoriegel nach ihr. »Komm schon, Mom, du weißt doch, dass du toll aussiehst.«
»Klar weiß ich das.« Sie packte den Riegel aus. »Aber ich hätte es schöner gefunden, wenn du es mir gesagt hättest.« Sie steckte die Schokolade in den Mund, kaute hörbar darauf herum und ging hinaus, um sich wieder umzuziehen.
Ich setzte mich auf die Couch und schaltete den Fernseher ein. Ohne hinzuschauen, zappte ich mich durch die
Weitere Kostenlose Bücher