The Hollow
nicht da.« Das Gewicht dieser Worte traf mich mit aller Härte.
»Ich weiß, Abbey. Ich verstehe den Schmerz, den du empfinden musst. Aber warum bist du jetzt hier … und noch dazu in diesem Kleid?« Seine wunderschönen grünen Augen flehten mich an, ihm zu antworten.
Ich hob ein Stück des durchweichten, ruinierten Kleides an. »Das hier?« Ich hielt es ihm hin und ließ es wieder fallen. »Das ist mein Kleid für den Abschlussball. Heute Abend ist der Abschlussball. Weil in dieser bescheuerten Stadt gar nichts normal sein kann, findet unser Abschlussball am Halloweenabend statt. Kristen und ich hätten zusammen mit zwei Jungs hingehen sollen. Aber ich schätze, sie hatte eine wichtigere Verabredung.« Ich lachte laut auf.
»Abbey, komm schon, bitte, geh vom Wasser weg«, bettelte er. »Komm her zu mir. Sprich mit mir.«
»Mit dir sprechen? Ich kann nicht mit dir darüber sprechen, Caspian. Ich sollte nicht zusammen mit dir hier sein. Das hier war unser Ort. Meiner und der von Kristen. Und was mache ich? Ich vergesse sie. Ich hab dir nicht erzählt, was für ein guter Mensch sie war … Oder wie komisch sie sein konnte und wie sehr sie ihre Familie liebte … Sie hat sie so sehr geliebt, Caspian.« Ich war jetzt wütend.
»Kristen würde sich wünschen, dass du glücklich bist, Abbey. Auch wenn wir beide hier zusammen sind und du mir alles zeigst.«
»Du hast keine Ahnung, was sie sich wünschen würde!«, schrie ich, stand auf und starrte ihm ins Gesicht. Er war ebenfalls aufgestanden. Der Wind peitschte um uns herum, wehte meine Worte weg und schleuderte sie mir dann wieder ins Gesicht. Ich hatte meinen Atem nicht mehr unter Kontrolle und ich spürte, wie mich erneut die schiere Wut erfasste. »Ich wusste, was sie sich wünschte, auch wenn es sonst niemand wusste. Niemand in der Schule, niemand in dieser Stadt und nicht mal du!«
Meine Stimme wurde ruhiger. Die Wut war immer noch da, aber sie hatte sich zusammengeballt … eine ruhige, rohe Wut. »Weißt du, dass ich in der Nacht, als sie starb, von ihr geträumt habe? So nah waren wir uns. Ich wusste, wann sie starb. Ich konnte es spüren. Ich habe es gespürt, Caspian. Alles. Aber ich war nicht da. Ich konnte es nicht verhindern. Am nächsten Morgen konnte ich es nicht mal richtig einordnen. Sie hätte meine Hilfe gebraucht und meine Freundschaft war nicht stark genug, dass ich ihr hätte helfen können. Also schätze ich, das heißt, dass ich doch nicht ihre beste Freundin gewesen sein kann …«
Ich wandte mich ab. Meine Wut war verraucht. Ich fühlte mich schwach und elend und innerlich kalt und meine Wut verwandelte sich wieder in Kummer.
»Ich bin heute Abend nicht zum Ball gegangen, weil sie nicht mit mir gehen konnte«, sagte ich verbittert. »Ach ja, und weil ich so ein Versager bin und so erbärmlich, dass man Dates für mich arrangieren muss. Weißt du, dass sie etliche Jungs gebeten haben, sich mit mir zu verabreden? Ich bin total blass und sie finden, dass ich einen Haarschnitt brauche …«, ich verstummte langsam.
»Abbey, bitte, beruhige dich doch«, flehte er. »Ich verstehe dich nicht. Wer hat Jungs gebeten, mit dir auszugehen? Und wer hat gesagt, dass du einen Haarschnitt brauchst?«
»Die Cheerleader«, erwiderte ich. »Und ein paar Mädchen im Drugstore.«
»Es ist okay, dass du dich darüber aufregst, Abbey. Komm her zu mir, setz dich neben mich. Wenn du nicht darüber reden willst, wie du dich fühlst, musst du auch nicht.« Seine Stimme klang ruhig, aber ein bisschen zittrig.
Ich starrte ihn an. Er hatte einen wilden Ausdruck in den Augen, genau wie ich, und ich wünschte mir verzweifelt, dass er mich verstehen könnte.
»Fühlen?«, knurrte ich. »Da irrst du dich aber gewaltig, Caspian. Ich fühle überhaupt nichts.«
Und dann sah ich, wie sich der Ausdruck in seinen Augen änderte. Er sah mich so verständnisvoll an, dass sich der Knoten in mir löste. Ich machte einen Schritt auf ihn zu und stolperte. »Oh Gott, Caspian«, sagte ich entsetzt. »Ich fühle überhaupt nichts …«
Und dann brach der Damm. Der ganze Schmerz und die Betäubung lösten sich und zerfielen in eine Million winzig kleiner Stückchen. Jedes einzelne löste sich auf und gab das große Loch dahinter frei. Die gähnende schwarze Leere um mein Herz herum.
Ich fing an zu weinen. Ein unaufhaltsamer Strom aus Tränen floss aus mir heraus, jede einzelne stieg hoch, rollte hinunter und schmerzte. Ich ließ mich auf die Knie fallen und weinte und
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