The Hollow
sie wirklich hier.
Ich öffnete das Fläschchen und verteilte ein paar Tropfen auf dem Grabstein. Sie vermischten sich mit dem Regen, liefen in kleinen Rinnsalen hinunter und durchweichten die Erde.
»Hey, Kris«, begann ich leise. »Jetzt habe ich endlich ein Parfum für dich gemacht.«
Ich suchte nach Worten. Ich fühlte mich innerlich wie betäubt und wusste nicht, was ich zu ihr sagen könnte. »Ich hoffe, es gefällt dir. Ich habe Grapefruit genommen und Ingwer und einen kleinen Hauch Vanille. Ich finde, es passt zu dir. Ich habe lange gebraucht, um es richtig hinzubekommen, aber ich wollte, dass es perfekt ist.« Ich wurde von einer geballten Ladung Kummer erfasst und meine Augen begannen zu schwimmen. Ich fühlte, wie ich innerlich überwältigt wurde.
»Heute ist … heute ist der Abschlussball, Kristen«, versuchte ich, zwischen den Schluchzern hervorzubringen. »Wir sollten … wir sollten zusammen sein. Aber nicht so … so hätte es bestimmt nicht sein sollen.«
Ich keuchte und schluchzte und wusste wieder nicht weiter. Ich senkte den Kopf und mein Kummer verwandelte sich in Wut, in schieren Hass auf Kristen, auf die Welt, auf mich und auf jeden …
Wieder grollte der Donner hinter mir, ich stand auf und ballte wütend die Fäuste. »Warum bist du nicht hier, Kristen? Du müsstest doch hier sein!«, schrie ich den Grabstein an. »Wieso bist du einfach hineingefallen? Wir sind doch nie ins Wasser gefallen!« Der Regen strömte mir übers Gesicht und ich rannte los.
Ich rannte so schnell und so heftig und so weit, wie ich konnte, am Ufer entlang. Ich dachte, ich sähe einen weißen, nebligen Umriss und rannte hinterher, bis meine Beine schmerzten und es in meinen Lungen stach. War sie es? War sie hier? Ich jagte hinterher, bis der Umriss verschwunden war, und dann brach ich am Ufer zusammen.
Mein ganzer Körper rang nach Luft, ich machte einen kurzen, schmerzhaften Atemzug nach dem anderen. Ich hob einen Arm hoch und goss, indem ich immer näher an den Fluss heranging, den Rest des Parfums in die Wasserstrudel. Ich schloss die Augen und legte meinen Kopf in das wirbelnde Wasser zu meinen Füßen. Es flüsterte verführerisch und lud mich ein, Kummer und Sorgen, Wut und Angst zu vergessen und stattdessen Ruhe und Stille zu fühlen.
Kristen wiederzusehen …
Meine Haare schwammen wie ein dunkler Heiligenschein um mich herum. Das Wasser war eisig, und obwohl mir hätte kalt sein müssen, fror ich kein bisschen. Stattdessen fühlte es sich wie eine heilende Salbe für die Wunden meiner Seele an. Ich atmete tief ein und aus und stellte mir vor, Kristen wäre hier, während mich der Duft nach Grapefruit, Ingwer und Vanille umwehte.
Aber innerlich war ich immer noch wie betäubt. Ich hob eine Hand, ließ sie auf dem strömenden Wasser treiben und beobachtete, wie das leere Parfumfläschchen davonschwamm. Ich atmete langsam weiter und versuchte, ruhig zu werden. Und langsam gelang es mir. Ich wurde ruhiger.
Dann hörte ich, wie jemand meinen Namen rief, und öffnete die Augen.
Caspian stand auf der anderen Seite des Flusses. »Oh Gott, Abbey, ich dachte, du wärst tot!«, rief er. Er sprang auf einen großen, flachen Stein, der mitten im Fluss lag, dann zum nächsten und kam immer näher.
Ich rührte mich nicht.
»Abbey«, sagte er ganz ruhig, »was machst du hier? Komm aus dem Wasser heraus.«
Ich lachte laut. »Ich soll aus dem Wasser herauskommen? Kristen ist auch nicht aus dem Wasser herausgekommen, Caspian. Wie soll ich sonst zu ihr kommen?«
»Komm schon, Abbey«, lockte er und kroch näher an mich heran, war aber immer noch ein Stück weit weg. »Ich weiß nicht, was passiert ist, aber du musst aufstehen und aus dem Wasser herauskommen. Auf der Stelle.« Seine Stimme wurde hart.
Ich stand abrupt auf und das Wasser spritzte um mich herum. Es regnete immer noch heftig und ich sah, dass auch er ganz nass war. Seine Haare klebten ihm am Kopf, aber die schwarze Strähne hob sich trotzdem lebhaft vom Rest seines hellen Haares ab.
»Du weißt nicht, was passiert ist?!«, sagte ich hysterisch. » Passiert ist, dass meine beste Freundin gestorben ist, Caspian. Das ist passiert. Du warst bei ihrer Beerdigung. Nur, dass es nicht ihre Beerdigung war, weil es keine Leiche gab, die man hätte beerdigen können. Aber jetzt haben sie eine. Oder … sie hatten eine. Letzte Woche hat man ihre Leiche gefunden und sie wurde beerdigt. Und das heißt, dass alles wirklich passiert ist. Sie ist weg und ich war
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