The Hollow
hatte all das mit jemandem teilen müssen und ich wusste, dass es genau dieser Jemand hatte sein müssen.
Ich nahm ein Notizheft und einen Stift vom Schreibtisch und hockte mich auf die Fensterbank. Mein Ballkleid war schon etwas getrocknet und störte mich nicht weiter, deshalb fing ich an, einen Brief an Kristen zu schreiben. Ich erzählte ihr alles von Anfang an.
Ich schrieb, wie schwer es mir gefallen war, zu ihrer Beerdigung zu gehen und zu glauben, dass sie wirklich tot war. Ich beschrieb, wie verloren ich mich in den letzten Monaten ohne sie gefühlt hatte. Wie es war, ihren Sarg zu berühren. Ich beschrieb, wie sich das zerknitterte gelbe Absperrband in meiner Hand angefühlt hatte. Dann erzählte ich ihr von den Cheerleadern und was sie getan hatten. Von dem Abend der Abschlussfeier und den Mädchen in den pinkfarbenen und gelben Kleidern. Wie ich ausgelassen über den Friedhof getanzt und dass ich ein Parfum für sie gemacht hatte.
Am meisten jedoch schrieb ich über jemandem mit funkelnden grünen Augen und weißblondem Haar mit einer schwarzen Strähne. Ich erzählte, wie wir uns kennengelernt hatten und wie er mir bei ihr zu Hause Gesellschaft geleistet hatte. Dass ich ihm den Friedhof gezeigt hatte und von unseren Gesprächen über klassische Literatur. Ich erzählte, wie er sich heute Abend um mich gekümmert hatte, als ich ganz am Boden gewesen war, und wie er die bösen Gefühle zum Verschwinden gebracht hatte.
Das Einzige, was ich nicht erzählte, war der besondere Name, den er mir gegeben hatte. Das muss ich im Augenblick noch ganz für mich behalten, auch wenn es das erste Mal war, dass ich ihr ganz bewusst etwas verschwieg.
Als ich fertig war, hatte ich ein ganzes Notizheft vollgeschrieben und in meinem Füller war keine Tinte mehr. Es war ein Uhr und Mom und Dad waren noch nicht nach Hause gekommen.
Ich stand von der Fensterbank auf und nahm den blauen Glasflakon mit Kristens Namen darauf vom Schreibtisch. Ich träufelte ein paar Tropfen auf die Seiten des Notizheftes. In der untersten Schublade fand ich ein halb volles Streichholzbriefchen und eine neue rote Kerze.
Ich zündete die Kerze an und trug sie zur Fensterbank. Ich stellte sie vorsichtig auf die Kante und öffnete das alte Fenster. Die Nachtluft war frisch und kalt. Ich holte tief Luft und fühlte mich ruhig. Sehr, sehr ruhig.
Langsam riss ich die Seiten aus dem Notizheft, hielt die Kerze aus dem Fenster heraus und verbrannte eine Seite nach der anderen. Ich sah hinter jedem Rauchwölkchen her, das in den Himmel stieg, und beobachtete, wie die Asche vom Wind weggeweht wurde. Der Duft des Parfums vermischte sich mit dem Geruch der Kerze und waberte um mich herum.
Ich dachte an etwas ganz Bestimmtes, das ich mit Kristen erlebt hatte, während ich die Seiten verbrannte, und zögerte, als ich bei der letzten angekommen war. »Ich sage nicht Auf Wiedersehen, weil ich hoffe, dass ein Teil von dir immer bei mir bleiben wird. Ich sage lieber … auf einen Neuanfang. Es ist das Ende unserer alten Art und Weise, Erinnerungen zu schaffen, aber ich werde neue Wege finden, das verspreche ich. Ich werde dich nie vergessen, Kristen. Nie«, schwor ich, als die letzte Seite des Notizheftes sich in Asche verwandelte.
Ich blies die Kerze aus, stellte sie auf den Boden und stand auf, um die Lampen auszumachen. Ich war müde, hatte aber noch keine Lust, direkt ins Bett zu gehen. Ich zog das verdorbene Ballkleid aus und ließ es zusammengeknüllt auf dem Boden liegen. Dann zog ich ein paar Shorts und ein altes T-Shirt an und setzte mich wieder auf die Fensterbank. Ich beschloss, das Kleid bis zum Morgen dort liegen zu lassen und es dann im Schrank zu verstecken, bevor Mom es entdecken könnte.
Es würde ein Vermögen kosten, es reinigen und reparieren zu lassen.
Das Nächste, was in mein Bewusstsein drang, war mein Wecker, der um acht Uhr piepste, und mein Gesicht, auf dem sich Spuren der Fensterbank abdrückten. Ich öffnete ein Auge und sah, dass mein Fenster geschlossen war und das Kleid nicht mehr auf dem Boden lag.
Kapitel elf – Die Bibliothek
»Von dem Augenblick an, da Ichabod seine Augen auf diese entzückenden Gefilde heftete, war es um seinen Seelenfrieden geschehen …«
Sleepy Hollow von Washington Irving
Kaum war ich aufgestanden, fing mein Herz an, wie verrückt zu klopfen, und mein Nacken war total verspannt. Auf der Fensterbank zu schlafen, war vermutlich keine besonders schlaue Idee gewesen. Ich bewegte mich sehr
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