The Homelanders, Band 1: The Homelanders - Stunde Null (Bd. 1) (German Edition)
Fels legen und mich darunter entdecken. Und sollte ich mich weigern, herauszukommen, würde er einfach den Lauf seiner AK-47 hineinstecken und mich ins Jenseits befördern.
Ich musste weiter, und zwar sofort. Auf dem Bauch liegend, schob ich mich Zentimeter für Zentimeter unter der Felswand hindurch in Richtung Öffnung. Ich bewegte mich weg vom Licht des Ablaufs, aber auch vom Licht der Taschenlampe. Die Dunkelheit umschloss mich wie ein Fangeisen. Ich konnte nichts mehr sehen, es war stockfinster. Trotzdem quetschte ich mich durch den schmalen Spalt.
Zuerst kam mein Arm frei, dann ragte mein Kopf in die feuchte Luft und schließlich zog ich die Schulter heraus. Ich krallte mich am Stein fest und zog die Beine hinterher. Ich war frei! Vor Erleichterung stieß ich einen Seufzer aus.
Dann drehte ich mich um.
Und fiel den Felsvorsprung hinunter.
Unaufhaltsam rollte ich abwärts, prallte gegen das Gestein, spürte, wie die Haut an meinem Gesicht und meinen Armen aufriss. Ich konnte nichts sehen, war vollkommen blind. Da war nur Fallen, Stein und Schmerz. Und ich wusste nicht einmal, ob ich gleich von einem weiteren Felsvorsprung herunterstürzen und noch tiefer fallen würde.
Aber nein, ich schlug auf dem Grund auf. Die Erschütterung des Aufpralls fuhr durch meinen ganzen Körper, in jeden einzelnen Knochen. Laut ächzend entwich die Luft aus meiner Lunge. Benommen lag ich in einer Dunkelheit, die so undurchdringlich war, dass ich die Hand vor Augen nicht sehen konnte.
Gelähmt vor Schmerz blieb ich liegen. Ich rang nach Luft und starrte ins Nichts.
Dann wurde dieses Nichts plötzlich durchbrochen. Der schwache Schein einer Taschenlampe erschien für einen kurzen Moment über meinem Kopf und war im nächsten Augenblick wieder verschwunden. Der Wachmann. Offensichtlich hatte er sich auf den Boden gelegt und mit der Taschenlampe in die Spalte geleuchtet, um nach mir zu suchen.
Ich hielt den Atem an und sah, wie der schwache Schein ein weiteres Mal aufleuchtete … Dann verblasste er.
»Hier ist er nicht!«, rief der Mann.
Er konnte die Öffnung nicht sehen, durch die ich gefallen war. Sie war außerhalb seines Sichtfelds.
Von oben antwortete jemand: »Was soll das heißen, er ist nicht da? Hör dir diesen Hund an, der dreht fast durch!«
Als wolle er ihm zustimmen, steigerte Hunter sein wildes Gebell noch.
»Wenn ich es dir doch sage«, schrie der Wachmann dicht über mir. »Hier unten ist nichts. Hier kann er sich nicht verstecken! Der verrückte Hund muss ein Eichhörnchen gewittert haben oder so was.« Wieder stöhnte und fluchte er. Und als er das nächste Mal sprach, hörte es sich so an, als sei er bereits weiter weg. »Wirf mir ein Seil runter, Mann. Hier unten ist es echt unheimlich. Wahrscheinlich gibt es hier Fledermäuse und sonst was.«
Wieder stöhnte und fluchte er, während er die Wand hochkletterte, zurück auf die Erde. Noch einmal hörte ich seine Stimme: »Lass uns von hier verschwinden.«
Die Schritte entfernten sich. Das wilde, hartnäckige Bellen des Hundes wurde schwächer. Dann herrschte Stille. Ich hörte nichts mehr.
Trotzdem blieb ich noch lange vollkommen reglos in der Finsternis liegen und versuchte, nachzudenken. Versuchte, zu verstehen, was mit mir passierte. Versuchte, eine Antwort zu finden.
13
S ENSEI M IKE
Was passierte als Nächstes? , fragte ich mich. Nach der Karate-Vorführung in der Schule, meine ich. Nachdem Beth in die Mensa gekommen war, mich angesprochen und ihre Nummer auf meine Hand geschrieben hatte. Was passierte danach? Da war nichts. Nichts Besonderes jedenfalls, nichts, woran ich mich erinnern konnte.
Es war nur ein ganz gewöhnlicher Tag.
Na ja, die Wahrheit ist, dass ich nach der Unterhaltung mit Beth ein bisschen über dem Boden schwebte, ein bisschen … wie soll ich sagen … verpeilt war. Ich erinnerte mich, dass ich in den Unterricht ging und ganz normal meine Aufgaben erledigte. Aber ich erinnerte mich nicht an besonders viele Einzelheiten. Ich glaube, ich saß eigentlich nur auf meinem Platz, schaute meine Hand an, drehte sie hin und her und bewunderte die Telefonnummer, die darauf geschrieben stand. Verpeilt eben.
Nach der Schule ging ich nach Hause und erledigte meine Hausaufgaben. Wie an jedem anderen Mittwoch nahm ich anschließend Moms Auto, den Ford Explorer, und fuhr zur Eastfield Mall, zum Karate-Training bei Sensei Mike.
Die Karate-Schule macht von außen nicht viel her. Es ist nur eine kleine Ladenfront in dem Einkaufszentrum.
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