The Homelanders, Band 1: The Homelanders - Stunde Null (Bd. 1) (German Edition)
besonders schlimm verletzt.
Die einzige Ausnahme von dieser Regel ist vielleicht, wenn man – nur so als Beispiel – von einem Bulldozer überrollt wird. Und genau das passierte mir. Zumindest kam es mir so vor.
Ich weiß gar nicht genau, wie es ablief. Als wir anfingen, war es das übliche Szenario. Da war ich in meiner Schutzkleidung, und da war Lou in seiner. Zwischen uns stand Sensei Mike in seinem schwarzen Gi und mit seinem Schwarzen Gürtel mit den vier roten Streifen – ein sehr hoher Rang. Er stellte Lou und mich in der Ausgangsposition einander gegenüber. Wir verbeugten uns, um auszudrücken, dass wir uns gegenseitig respektierten und zusammenarbeiteten, um Karate zu lernen und nicht, um einander wirkliche Verletzungen zuzufügen.
Dann rief Sensei Mike: »Fertig!«, und wir sprangen beide zurück und brachten unsere Fäuste nach oben, in Kampfposition. Sensei Mike streckte den Arm zwischen uns aus, hob die Hand, ließ sie wieder fallen und gab das Kommando: »Los!«
Und alles war wie immer. Da kam Lou, der Bulldozer. Rumpel, rumpel, rumpel. Ich wich ihm wie üblich aus, verpasste ihm ein paar kräftige Schläge an die Seite seines Helms und einen gezielten Roundhouse-Kick in den Magen oberhalb seines Gürtels. Und dann kam er wieder. Rumpel, rumpel, rumpel. Und erneut wich ich ihm aus, schlug und trat ihn.
Aber die Schläge machten Lou überhaupt nichts aus. Ich glaube, wenn man ihm wirklich zu schaffen machen wollte, müsste man sich von hinten an ihn anschleichen und ihm einen Ziegelstein auf den Kopf schlagen. Das würde ihn wohl ein wenig verärgern. Aber so hatte ich Gelegenheit, mit meinem Karate-Stil anzugeben – als Lou erneut angerumpelt kam.
Ich erinnere mich, wie ich dachte: Mann, wenn Beth mich jetzt sehen könnte, sie wäre echt beeindruckt. Und dann dachte ich: Warum schaue ich an die Decke, sehe Sternchen funkeln und höre die Vögelchen zwitschern?
Soweit ich es rekonstruieren kann, war Folgendes passiert: Wieder kam Lou auf mich zu. Rumpel, rumpel, rumpel. Wieder war ich bereit, ihm auszuweichen. Aber statt das zu tun, dachte ich an Beth und daran, wie beeindruckt sie wäre, wenn sie sehen könnte, wie elegant ich ihm ausweiche. Lou, der zu seinem Entzücken feststellte, dass ich nicht irgendwo anders war, sondern direkt vor ihm stand und nur daran dachte , irgendwo anders zu sein, meinte wohl, das könnte eine gute Gelegenheit sein, einen Roundhouse-Kick an meinem Kopf zu landen. Und genau das tat er. Ich fiel auf den Rücken. Und prompt waren da all die funkelnden Sternchen und zwitschernden Vögelchen.
Natürlich sprang ich sofort wieder auf die Füße, sobald mir klar wurde, dass ich nicht mehr stand. Ich wollte nicht, dass Sensei Mike dachte, ich könnte keinen Schlag wegstecken, selbst wenn es ein Schlag von einem Bulldozer war. Sofort tänzelte ich wieder mit erhobenen Fäusten herum und tat so, als wäre da kein Chor von Boings und Klings mehr in meinem Kopf.
Zum Glück unterbrach Sensei Mike ungefähr zwei Sekunden danach den Kampf. Er lachte und klopfte mir und Lou auf die Schulter.
»Okay, Armleuchter, gut gemacht. Grüßt die Flagge und geht euch umziehen.«
Da wir uns nicht die Hand geben konnten, schlugen Lou und ich die Handschuhe aneinander.
»Guter Schlag«, sagte ich. »Hat mich echt umgehauen.«
Ich konnte sehen, wie Lou unter seinem Helm vor Stolz strahlte. Dann drehten wir uns beide um und verbeugten uns in Karate-Manier vor der amerikanischen Flagge.
Hinter dem Dojo gibt es einen Umkleideraum, der gerade groß genug ist für eine Person. Ich wartete, bis Lou fertig war und ging dann hinein, um meinen Gi gegen meine Straßenkleidung auszutauschen. Es gibt dort keine Dusche oder sonst irgendeine Waschgelegenheit, sodass ich meistens erst zu Hause dusche, wo meine Mutter noch etwas von meinem Duft mitbekommt.
Als ich umgezogen war, schlenderte ich mit meiner Karate-Tasche durch den Dojo . An der Schwelle zum Vorraum drehte ich mich noch einmal um und verbeugte mich ein letztes Mal respektvoll. Dann ging ich hinaus.
Lou war schon weg, und Mike saß noch im Büro und fütterte seinen Computer.
»Danke, Sensei«, rief ich ihm zu.
»Hey, Armleuchter«, antwortete er, ohne aufzublicken. »Komm mal rein.«
Ich trat ins Büro und blieb vor dem Schreibtisch stehen. Sensei Mike hörte auf zu tippen, lehnte sich in seinem Stuhl zurück, faltete die Hände hinter dem Kopf und schaute mich an.
»Was machen die grauen Zellen? Lou hat dir ganz schön eine
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