The Homelanders, Band 1: The Homelanders - Stunde Null (Bd. 1) (German Edition)
Über dem Fenster ist ein Schild angebracht, auf dem in schwarzen Lettern KARATE STUDIO steht. Einen anderen Namen hat sie nicht.
Auch innen ist alles ganz einfach. Es gibt einen kleinen Vorraum, in dem man sich die Schuhe auszieht, denn im Dojo selbst sind keine Schuhe erlaubt. Neben dem Vorraum befindet sich ein kleines Büro mit einem Schreibtisch, einem Computer, einem Telefon und so weiter. Dann kommt der Dojo , ein mit Teppich ausgelegter Übungsraum, wo in einer Ecke ein Sandsack und an einer Wand eine große amerikanische Flagge hängen und an der Wand gegenüber mehrere große Spiegel. Und überall, wo Platz ist, hängen Schwerter, Äxte und andere Waffen.
Sensei Mike war der Besitzer und Betreiber der Schule. Es gab noch drei oder vier andere Lehrer, aber Sensei Mike war der beste. Und der coolste. Eigentlich war er überhaupt der coolste Mensch, den ich kannte. Er war ungefähr Mitte 30, etwa 1,80 Meter groß, schlank, aber mit breiten Schultern. Sein dichtes, immer ordentlich gekämmtes schwarzes Haar schien nie durcheinanderzugeraten, selbst wenn er Sparringskämpfe machte oder trainierte. Er hatte ein langes, schmales Gesicht mit vielen Falten, die aussahen, als seien sie eingemeißelt. Und er trug einen Schnauzbart, einen richtigen Walrossbart, der zu beiden Seiten seines Mundes runterhing. Man konnte ahnen, dass seine Mundwinkel unter diesem Schnäuzer immer von einem Lächeln umspielt wurden. Dieses Lächeln war auch in seinen braunen Augen zu erkennen. Er schien sich im Stillen immer über etwas zu amüsieren.
Sensei Mike war lange in der Army gewesen und hatte im Krieg gegen den Terror sowohl in Afghanistan als auch im Irak gegen islamische Extremisten gekämpft.
»Ich wäre immer noch dort«, erzählte er uns gerne, »aber ich musste ja zurückkommen und euch Armleuchtern ein wenig Disziplin beibringen.«
Die Wahrheit war allerdings etwas komplizierter. Das wusste ich, weil ich Mike einmal gegoogelt und ein paar Nachrichtenmeldungen über ihn gelesen hatte. Die Wahrheit war, dass Mike nach Hause kam, weil er im Kampf verwundet worden war und ihm ein Stück Titan ins Bein eingesetzt werden musste. In den Meldungen stand, dass er zu einer Einsatztruppe gehört hatte, die in Afghanistan beim Bau einer Schule half. Die Einsatztruppe wurde von über hundert Taliban-Kämpfern angegriffen. Mike musste sich zu einem schweren Maschinengewehr Kaliber .50 vorkämpfen, das auf einen Panzer montiert war. Er wurde verwundet und von Taliban umzingelt, aber er konnte sie zurückdrängen und damit die Einsatztruppe retten. Der Präsident verlieh ihm dafür einen Orden – und zwar der leibhaftige Präsident, der Präsident der Vereinigten Staaten. Das war eine ziemlich coole Story. Ich konnte Mike allerdings nicht dazu bringen, darüber zu reden. Einmal versuchte ich es und fragte ihn danach, aber er zuckte nur mit den Schultern und sagte: »Da draußen gibt es keinen einzigen Soldaten, der nicht das Gleiche tun würde, was ich getan habe. Oder mehr noch. Ich war nur zufällig der erste Armleuchter, der an das Gewehr kam.«
An diesem Mittwoch leitete Mike das Training. Nach ein paar Aufwärmübungen und einigen Katas teilte er mich und Lou Wilson zum Trainingskampf ein. Zu Lou ist vor allem zu sagen, dass er schwer ist. Sehr schwer. Nicht sehr groß – nur ungefähr so groß wie ich –, aber er ist breit, stämmig, massig und stark. Müsste ich ihn mit irgendwas vergleichen, dann wahrscheinlich mit einem Bulldozer. Mit ihm einen Trainingskampf zu führen, ist so, als würde man mitten auf der Straße stehen, und ein Bulldozer walzt auf einen zu.
Andererseits hatte ich auch immer Glück, mit Lou zum Sparring eingeteilt zu werden, weil ich meistens gewann. Lou ist ein netter Kerl, wirklich freundlich und alles, aber um ehrlich zu sein, er ist nicht gerade der Hellste, weder in der Schule noch beim Kämpfen. Er kommt auf einen zu wie ein Bulldozer. Man weicht ihm einfach aus und lässt dann Schläge und Tritte auf ihn niederhageln. Dann rennt er wieder auf einen zu wie ein Bulldozer, und man macht dasselbe noch mal. So laufen die meisten unserer Trainingskämpfe ab.
Aber nicht an diesem Tag.
Wir achten im Dojo immer auf Sicherheit, und das gilt auch für die Trainingskämpfe. Wir tragen weiche Handschuhe, einen Helm, Knieschützer und einen Tiefschutz aus Hartplastik. Natürlich kann man sich an einem schlechten Tag mal die Rippen quetschen oder eine aufgeplatzte Lippe holen, aber meistens wird man nicht
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