The Homelanders, Band 1: The Homelanders - Stunde Null (Bd. 1) (German Edition)
Öffnung, deren Durchmesser ungefähr so groß war, dass ein Mensch hindurchpasste. Sie schien nirgendwohin zu führen, da war nur absolute Dunkelheit. Munter strömte der Bach aus den tiefen Schatten des Waldes und über die helle Lichtung, um dann blitzschnell in diesem Loch, in dieser undurchdringlichen Finsternis zu verschwinden.
Ich wusste, was es war. Ich hatte zwar keine große Erfahrung, was das Überleben im Wald betrifft, aber ich war oft genug in den Wäldern rund um meine Heimatstadt unterwegs gewesen und hatte so etwas schon gesehen. Es war ein sogenannter Ponor. Das Gestein unter der Erdschicht musste weich sein, vielleicht war es Kalkstein. Das Wasser hatte ihn ausgewaschen, sodass ein Loch entstanden war, und vermutlich war darunter eine Höhle oder sogar ein verzweigtes Höhlensystem.
So viel also zu meiner Idee. Es kam nicht infrage, dass ich mich in die absolute Dunkelheit unter der Erde begab. Wenn ich sterben sollte, dann hier oben im Licht. Ich musste also einen anderen Weg finden.
Ich wandte mich von dem Ponor ab und ließ den Blick über den Wald wandern. Wohin ich auch sah, überall bot sich mir das gleiche Bild, das gleiche Wirrwarr aus Ästen und Ranken, das gleiche schlierige Sonnenlicht und die gleichen, langsam länger und dunkler werdenden Schatten. Schon bald würde es ganz dunkel sein, und ich würde mich nicht mehr orientieren können. Aber für den Augenblick wusste ich zumindest, dass ich von dem Gelände aus in Richtung der untergehenden Sonne geflüchtet war. Wenn ich diese Richtung beibehielt, konnte ich vor der Dämmerung wenigstens den Abstand zwischen mir und meinen Verfolgern vergrößern.
Gerade wollte ich mich wieder aufmachen, als ich etwas hörte. Ein unverwechselbares Geräusch. Einen Motor. Vielleicht ein Auto , dachte ich mit leiser Hoffnung. Aber nein, es war ein Laster. Das Motorengeräusch wurde immer lauter, näherte sich von irgendwo jenseits der Bäume. Der Laster befand sich auf dem Pfad, außerhalb meiner Sichtweite, aber er konnte nicht allzu weit weg sein, dazu war das Geräusch zu klar. Eine oder zwei Sekunden klammerte ich mich noch an die verzweifelte Hoffnung, dass es nicht die Wachen waren, sondern jemand, der mir helfen könnte.
Dann hielt der Laster an. Als ich die Stimmen hörte, verließ mich jegliche Hoffnung.
»Da«, sagte einer der Männer mit einem schweren, gedehnten Akzent. »Siehst du die Äste?«
»Ja, ich sehe sie«, antwortete ein anderer.
Kein Zweifel, es waren die Wachen. Sie mussten einen zweiten Laster auf dem Gelände gehabt haben. Vielleicht hatten sie auch einen zweiten Schlüssel für den Pick-up, mit dem ich geflüchtet war, oder vielleicht … Es war egal. Sie waren hier, und sie kamen näher.
»Sieht so aus, als hätte er den Pfad verlassen«, meinte der erste Mann.
»Ja«, entgegnete der zweite, »sieht so aus.«
»Dylan und ich behalten den Pfad im Auge, für den Fall, dass er zurückkommt und versucht, abzuhauen. Ihr drei nehmt Hunter mit. Bleibt in Funkkontakt.«
»In Ordnung.«
Noch eine Sekunde blieb ich auf der kleinen Lichtung stehen. Unfähig, zu denken, unfähig, mich zu bewegen. Meine Augen zuckten hin und her, suchten panisch nach einem Ausweg. Wenn ich schnell war, sagte ich mir, konnte ich noch immer einen Vorsprung behalten und ein Versteck finden.
Aber im nächsten Augenblick hörte ich noch etwas anderes, etwas Neues. Es war ein Geräusch, das dem Zahnarztbohrer glich, wenn er einen freigelegten Nerv traf.
Nehmt Hunter mit , hatte der Mann gesagt.
Und es war nicht schwer zu erkennen, wer Hunter war. Es war ein Hund. Ein Bluthund.
Dem langen, aufgeregten Jaulen nach zu urteilen, das jetzt durch das Gewirr der Äste zu mir drang, hatte er meine Fährte aufgenommen.
12
F INSTERNIS
Plötzlich schien der Wald voller Gefahren zu sein. Der Hund jaulte, die Männer brüllten, Äste und Blätter knackten und knisterten, als sie durch das Unterholz stürmten. Ich konnte sie noch nicht sehen, aber ich wusste: Sie waren mir dicht auf den Fersen. Jeder Augenblick, der verging, brachte sie näher.
Noch eine Sekunde blieb ich stehen, zu verwirrt und verängstigt, um mich zu bewegen. Noch ein Mal suchte ich den Wald nach einem Fluchtweg ab.
Es gab keinen.
Ohne nachzudenken griff ich an meinen Hosenbund. Ich spürte die Pistole, die ich dem Fahrer des Kleinlasters abgenommen hatte. Aber was nutzte eine kleine Pistole gegen Maschinengewehre?
Es war sinnlos. Sinnlos, zu rennen, sinnlos, stehen zu bleiben
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