The Homelanders, Band 2: The Homelanders - Auf der Flucht (Bd. 2) (German Edition)
Lichter blitzten auf! Ein weiterer Streifenwagen kam inRichtung Kreuzung – er fuhr von rechts aus der Seitenstraße, wollte mir an der Ecke den Weg abschneiden. Wenn er die Ecke vor mir erreichte, würde es mir nie gelingen, abzubiegen!
Mein ganzer Körper fühlte sich an wie ein einziger gewaltiger Puls, der so schnell und hart hämmerte wie der Motor unter mir. Ich drehte das Gas noch weiter auf, und die Welt um mich herum wurde immer schneller. Ich konnte es unmöglich schaffen – und versuchte es trotzdem.
Es gab keinen Gegenverkehr, wahrscheinlich waren andere Fahrer durch die Sirenen abgeschreckt worden. Ich fuhr quer über die Straße auf die andere Spur. Vielleicht konnte ich in Schräglage zwischen dem herannahenden Streifenwagen und der Bordsteinkante durchkommen. Sollte ich sie allerdings berühren, war ich erledigt …
Genau in dem Augenblick, als ich geradewegs auf die Kreuzung zubretterte, schoss der Streifenwagen von rechts heran, und wir bewegten uns unausweichlich aufeinander zu. Die Sirenen übertönten fast das Dröhnen des Motorrads und das Tosen des Bluts in meinen Ohren. Der Streifenwagen bremste scharf und geriet ins Schlingern. Der Fahrer versuchte, mir auszuweichen – natürlich, er war ein Cop. Und die Cops sind schließlich die Guten.
Als der bremsende Wagen sich drehte, schlüpfte ich vorn an seinem rechten Kotflügel vorbei und verpasste dabei die Kante des Gehsteigs nur um wenige Zentimeter. Das Motorrad neigte sich zur Seite, bis es fast waagerecht lag.
Dann hatte ich die Kurve geschafft! Das Motorrad richtete sich auf, beschleunigte wieder und jagte die Seitenstraße hinunter. Hinter mir verblassten die Lichter des Einkaufszentrums. Schatten umfingen mich.
Als ich über die Schulter zurückschaute, stand der Streifenwagen noch immer quer auf der Kreuzung und versperrte den Weg. Die anderen Wagen versuchten eine Vollbremsung, als sie auf die Kreuzung zurasten, konnten einen Zusammenstoß aber nicht mehr vermeiden. Der erste rammte das Heck des querstehenden Wagens, während der hinter ihm gerade noch ausweichen konnte. Aber der nächste schaffte es nicht mehr und rasierte die Rückleuchte seines Vordermannes, während er selbst vom letzten Wagen gerammt wurde.
Für ein paar Sekunden setzte der Unfall alle fünf Streifenwagen außer Gefecht. Sie standen ineinanderverkeilt auf der Kreuzung, ihre Warnleuchten drehten sich sinnlos und ihre Sirenen heulten wie frustrierte Hunde, die die Fährte ihrer Beute verloren hatten.
Und ich raste weiter in die Nacht.
10
S CHÜSSE IN DER N ACHT
Inzwischen war ich in ein Wohngebiet gelangt, fuhr durch eine Allee und an Häusern vorbei. Über mir verschränkten sich die kahlen Äste der Bäume, und das letzte Licht verschwand allmählich vom tiefblauen Himmel. Das Herbstlaub im Rinnstein wurde von dem vorbeifegenden Motorrad aufgewirbelt. Die Sirenen wurden immer leiser, je weiter ich mich von ihnen entfernte, und für ein paar Sekunden war es fast still.
Ich bremste ab und bog in eine weitere dunkle Wohnstraße mit kleinen, dicht zusammenstehenden Häusern ein. Es waren überwiegend zweistöckige Schindelhäuser mit Veranda und einem kleinen Stück Rasen davor. Zwischen ihnen führten schmale Gassen hindurch. Hinter den meisten Fenstern brannte Licht, sein gelber Schein strahlte warm in die Nacht hinaus.
Als ich die Lichter sah, wanderten meine Gedanken für einen Augenblick zu den Familien in diesen Häusern. Ich stellte mir vor, wie sie gerade zusammen beim Abendessen saßen. Der Geruch von Essen lag in der Luft, und die Mom würde ihre Kinder vielleicht fragen: »Was habt ihr heute in der Schule gemacht?« Vielleicht würde der Dad erzählen, was bei seiner Arbeit passiert war, oder er würde mit seiner Frau über irgendetwas anderes reden, etwas ganz Normales …
Und sie hatten keine Ahnung, dachte ich. Sie wussten nicht,wie gut es ihnen ging. Wie toll es war, dass sie alle zusammensaßen, reichlich zu essen hatten und ein Haus, in dem es trocken und warm war. Sie wussten nicht, welches Glück sie hatten, miteinander reden, am Ende des Tages alle in ihre Zimmer gehen und in ihrem eigenen Bett schlafen zu können. Sie dachten nicht darüber nach, dass all das von einem Augenblick auf den anderen einfach so verschwunden sein könnte. Es könnte ihnen genauso gehen wie mir: Sie würden eines Morgens aufwachen, und das alles wäre nicht mehr da. Sie könnten sich hier draußen in der Nacht wiederfinden. Allein. Ohne Essen und ohne
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