The Homelanders - Im Visier des Todes (Bd. 4) (German Edition)
… Sir … Präsident Spender.«
Um ehrlich zu sein, weiß ich gar nicht mehr genau, was der Präsident dann sagte. Ich war die ganze Zeit wie benommen. Ich erinnere mich, dass er meinte, er sei stolz auf mich. Dankbar für das, was ich getan hatte, und auch das amerikanische Volk würde mir dankbar sein, wenn es erfuhr, was geschehen war.
Ach ja, an eine Sache erinnere ich mich ganz deutlich. Irgendwann sagte er: »Wenn du so weit bist, wartet ein Platz an der Air Force Academy auf dich. Als Oberbefehlshaber der Streitkräfte habe ich da ein bisschen Einfluss. Aber ich kanndir nur die Tür öffnen. Den Abschluss musst du allein schaffen.«
Nachdem der Präsident sich verabschiedet hatte, legte ich den Hörer auf und stand wie betäubt da. Ich starrte auf das Telefon und dachte: Das war der Präsident der Vereinigten Staaten, der mich da gerade angerufen hat. Wenn das nicht cool war!
Die Tür ging auf und Rose bewegte sich unbeholfen mit seinem Gipsbein und seiner Krücke wieder hinein.
»Das war der Präsident«, teilte ich ihm mit. »Der Präsident der Vereinigten Staaten hat mich angerufen.«
Rose nickte. »Cool.«
»Er sagt, er bringt mich an die Air Force Academy.«
»Na ja, er ist ja auch der Oberbefehlshaber der Streitkräfte«, meinte Rose. »Da hat er ja bestimmt was zu sagen.«
Ich blinzelte, versuchte noch immer, das alles zu kapieren. »Bedeutet das, ich muss nicht wieder ins Gefängnis?«, wollte ich von ihm wissen.
Ich glaube, es war das erste Mal, dass ich sah, wie Rose sich vor Lachen nicht mehr halten konnte. Er schaute auf den Boden, schüttelte den Kopf und seine Schultern bebten. Er lachte sich regelrecht kaputt.
»Was?«, fragte ich ihn. »Was ist so lustig? Was ist mit all den Verhandlungen, der Geheimhaltung und den Leuten, die nicht glauben wollen, dass die Homelanders existieren?«
Es dauerte noch einen Augenblick, bis er sich gefangen hatte und wieder zu dem vertrauten, ernsthaften Rose wurde. Dann humpelte er zu mir, legte mir seine freie Hand auf die Schulter und schaute mich mit seinen wachen, klugen Augen an.
»Darüber brauchst du dir keine Sorgen mehr zu machen, Charlie«, beruhigte er mich. »Die Meinung dieser Leute könnte man momentan als überholt bezeichnen.«
Als ich noch immer nicht ganz verstand, klopfte Rose mir auf die Schulter und sagte: »Es ist vorbei, Charlie. Du hast es geschafft. Du hast sie aufgehalten.«
Rose und ich gingen zusammen zu den Aufzügen. Dort warteten noch andere Leute, aber ein Sicherheitsbeamter bat sie, den nächsten Aufzug zu nehmen, damit wir allein nach unten fahren konnten. Langsam wurden wir ins Erdgeschoss befördert. Zuerst schwieg ich, denn ich war nur damit beschäftigt, das alles zu verarbeiten.
Es war vorbei, wie Rose gesagt hatte. Keine Homelanders mehr, die versuchten, mich umzubringen. Keine Polizei mehr, die mich verhaften wollte. Vorbei die Tage und Nächte auf der Flucht, allein, ängstlich und verwirrt, weil ich nicht wusste, wer ich war und was geschah.
»Wohin gehen wir jetzt?«, erkundigte ich mich.
Rose schaute mich an. Für eine Sekunde dachte ich, er würde wieder anfangen zu lachen. Aber das tat er nicht. »Nach Hause, Charlie. Du jedenfalls gehst nach Hause.«
Bevor ich richtig begriff, was er da gesagt hatte, hielt der Aufzug an. Die Türen öffneten sich und plötzlich wurde ich von Blitzlichtern geblendet und Menschen riefen meinen Namen. Eine Gruppe von Reportern hatte sich in der Eingangshalle des Krankenhauses versammelt. Sie fotografierten und machten Videoaufnahmen, riefen mir Fragen zu. Ein verwirrendes Chaos aus Licht und Stimmen.
»Kannst du uns sagen, was passiert ist, Charlie?«
»Wie war es, sich bei den Homelanders einzuschleusen?«
»Was ist an Silvester in der U-Bahn passiert?«
Ein paar Sicherheitspolizisten drängten die rufenden Reporter zurück. Rose nahm mich mit seiner freien Hand am Arm und führte mich an ihnen vorbei.
Sie hörten tagelang nicht auf, nach mir zu rufen. Aber die Berichte in den Nachrichten erzählten nie die wahre, die ganze Geschichte. Trotzdem reichte es aus, um meinen Namen reinzuwaschen, sodass die Menschen verstanden, dass ich weder meinen Freund umgebracht noch mein Land verraten noch sonst etwas von all dem getan hatte, was man mir vorwarf. Das reichte mir. Es war mehr als genug.
Als ich an den Reporten vorbei war, sah ich die Eingangstüren des Krankenhauses. Sie waren aus Glas und die Sonne schien durch sie herein. Es war, als würde ich auf einen
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