The Homelanders - Im Visier des Todes (Bd. 4) (German Edition)
versuchte, auf der Leiter Tritt zu fassen, aber ich kam nicht um seinen Körper herum. Währenddessen kämpfte Prince erbittert, versuchte, sich mit seiner freien Hand von mir zu befreien.
Ich kletterte weiter an ihm hinauf, bis ich meinen Arm um seinen Hals schlingen konnte. Als er ausweichen wollte und nach mir schlug, drückte ich ihm die Luft ab.
Inmitten dieses verzweifelten Kampfes fiel mir plötzlich etwas ein. Es war so klar, dass es mir fast vorkam, als spreche eine Stimme zu mir. Beim Karatetraining hatte Mike uns beigebracht, dass es auf dem Handrücken einen ganz bestimmten Nerv gibt. Drückte man mit dem Fingerknöchel auf diesen Nerv, fügte man seinem Gegner damit so große Schmerzen zu, dass er sofort losließ. Auch Prince würde die Leiter loslassen, wenn ich diesen Trick bei ihm anwandte. Wir würden zusammen abstürzen und auf den Bahnsteig fallen. Ungefähr zehn Stockwerke tief. Mit ziemlicher Sicherheit würden wir beide sterben, aber dann wäre die Bedrohung vorbei und die Stadt in Sicherheit.
Es war merkwürdig. Man sollte annehmen, ich hätte mich davor gefürchtet, abzustürzen und an dieser verlassenen Haltestelle hier unter der Erde zu sterben. Aber das Gegenteil war der Fall, so seltsam es auch klingt. Bis zu diesem Augenblick, da ich erkannte, dass ich das alles beenden konnte, hatte ich wahnsinnige Angst gehabt, zu scheitern, das Falsche zu tun und umzukommen, ohne Prince an der Ausführung seines Plans zu hindern. Mike im Stich zu lassen. Aberjetzt war diese Angst wie weggeblasen. Ich wusste, dass es vorbei war. Ich musste Prince nur noch diesen letzten Schlag versetzen, wie Mike es mir beigebracht hatte, und ihn mit mir zusammen nach unten reißen.
Wir alle müssen sterben, Armleuchter. So sind nun mal die Spielregeln.
Ich fürchtete mich nicht.
Einen Arm um den Hals von Prince geschlungen, hob ich meine freie Hand und streckte den Knöchel meines Zeigefingers aus, bereit, ihn in den Nerv auf seinem Handrücken zu bohren.
Ich habe immer mein Bestes getan, um aufrichtig zu sein, und was auch passiert, für mich ist es in Ordnung.
Ich zögerte nur einen winzigen Moment, in dem ich mich fragte: Was ist mit mir? Habe ich mein Bestes getan? Bin ich immer aufrichtig gewesen? Auf diese Fragen folgten Bilder von den Menschen, die ich kannte: Meine Eltern, meine Freunde, und vor allem Beth. Würden sie böse auf mich sein, wenn ich sie verließ? Würden sie verstehen, warum ich das alles tun musste?
All das schoss mir im Bruchteil einer Sekunde durch den Kopf, bevor ich meinen Fingerknöchel in Prince’ Handrücken bohrte.
Er schrie auf vor Schmerz und ließ die Leiter los. Ich zog ihn nach hinten und wir fielen.
Prince stieß einen gellenden Schrei aus. Einmal überschlugen wir uns in der Luft. Die Lichter des Times Square, die durch den Gitterrost fielen, verblassten, und die Musik der Welt dort oben verhallte.
Ich war so sehr auf den Sturz konzentriert und darauf, meine Pflicht zu erfüllen, dass ich fast nicht daran gedacht hätte, im Fallen nach der Leiter zu greifen.
Aber dann kam ich zu mir und streckte panisch die Hand aus. Meine Finger berührten das Metall und bekamen eine Sprosse zu fassen. Ich hielt mich daran fest, und durch die Geschwindigkeit des Falls wurde mein Arm beinahe aus dem Gelenk gerissen. Prince entglitt meinem Griff, hielt sich aber in letzter Sekunde an meinem Ärmel fest, und ich erwischte ihn am Handgelenk. Dann hingen wir beide hoch über dem Bahnsteig in der Luft, ich an eine Leitersprosse, Prince an mich geklammert. Ich versuchte, mit den Füßen wieder Halt zu finden, aber Prince zog mich durch sein Gewicht nach unten, sodass ich mich kaum bewegen konnte.
Ich schaute zu ihm hinunter, während ich mich mit aller Kraft an die Leiter klammerte und mich bemühte, ihn nicht loszulassen. Mit einem verzweifelten, flehenden Ausdruck in den Augen schaute er zu mir herauf.
»Lass den Rucksack fallen!«, schrie ich.
Als Antwort kam ein Fluch, und seine Augen glühten vor Zorn und Hass.
Sein Gewicht zog mich immer weiter nach unten, und Stück für Stück rutschten meine Finger von der Leitersprosse ab.
»Lass ihn fallen, Prince, und ich ziehe dich hoch.«
Seine Antwort war die gleiche wie zuvor.
Mein Griff lockerte sich. Ich konnte ihn nicht mehr halten, schaute ihn an und schüttelte hilflos den Kopf.
»Nein!«, schrie Prince, außer sich vor Angst.
Aber in der nächsten Sekunde würde ich abstürzen. Ich ließ ihn los, riss meinen Arm weg und
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