The Hood
hat eine scheußliche Schnittwunde im Gesicht, aber soweit sie es erkennen kann, ist der Knochen darunter in Ordnung. Eine Machete hätte einen tieferen Schnitt hinterlassen und den Kieferknochen zertrümmert. Sie hätten den Kiefer mit kleinen Plättchen und einer großen Rekonstruktionsplatte neu aufgebaut, ein strapazierfähiges Metallstück anstelle der Knochenfragmente. Der Patient verliert ein paar Zähne, kann nicht mehr lächeln und behält eine erschlaffte untere Gesichtshälfte zurück, da der Gesichtsnerv beschädigt wird.
»Behalte meinen Finger im Blick.«
Verlorene Augen, aus Nasen und Ohren abgebissene Stücke gehören zum Schlimmsten, was Christine zu sehen bekommt. Sie dachte immer, Ohren würden nur bei Reservoir Dogs abgeschnitten, bis sie es mit eigenen Augen sah. Drews Zustand ist stabil genug, also vernäht sie die Schnittwunde.
»Ich sehe morgen wieder nach dir«, sagt sie. Sie kann keine Angehörigen von Drew finden. Sie beauftragt die Schwester, jemanden ausfindig zu machen, und fährt dann nach Hause.
Der Raum ist verschwommen. Eine Neonröhre brennt ihm in den Augen. Drew blinzelt. Sein Mund ist staubtrocken. Der Kopf einer Frau ragt über ihm auf, nicht die Blondine von vorhin, diese hier hat hellblaue Augen, einen dunkelbraunen Pony. Sie sieht aus wie eine Krankenschwester, aber ohne Uniform. Ganz in Schwarz, mit dicken, schwarzen Perlen um den Hals.
»Ich heiße Karyn«, sagt sie ruhig. Dann kehrt der Schmerz zurück, schwillt an, bis sein ganzer Körper und sein Gesicht so sehr schmerzen, dass es sich anfühlt, als könnte sein Kopf explodieren.
»Es läuft nicht wirklich gut für dich, was?«, fragt sie ruhig.
*
Das Café im Centre for Contemporary Arts ist brechend voll. Es liegt in einem Innenhof, unter einem gläsernen Atrium. Total trendig, mit hausgebackenen Scones, Muffins und Kuchen, Frikadellen aus geräuchertem Schellfisch und Bio-Früchtetees.
»Ich habe Rowan einen Spoodle besorgt«, sagt Karyn. »Sie ist allergisch auf manche Hunde.«
Karyn weiß, dass Christine Hundeliebhaberin ist. Sie haben sich kennengelernt, weil sie ihr nachgestellt hat. Karyn hat eine Menge Leute angeschrieben und um Hilfe gebeten, und Christine hat als eine der Ersten geantwortet. Karyn zeigte ihr das Band der Überwachungskamera mit der Gang-Schlägerei, erzählte ihr Davids Geschichte. Auch Christine brennt leidenschaftlich für ihre Arbeit und verzweifelt über Jungs wie Drew, die sich ohne Grund gegenseitig aufschlitzen. Als sie geht, beschreibt Karyn ihr noch den Weg zu einer Schule, die sie besucht: Christine hat sich freiwillig gemeldet mitzukommen.
Ein paar Wochen später sitzt sie vor einer Klasse in einem der Vororte. Die Kinder sind vierzehn Jahre alt und so klein, dass sie unterernährt wirken. Die kleinen Jungs sind ein ziemlich lebendiger Haufen.
»Ihr dürft kein Messer bei euch führen, weil es verboten ist und ihr ins Gefängnis kommt«, sagt Christine.
Die Jungs denken lange und scharf darüber nach.
»Könnten wir denn zwei Billardkugeln in eine Socke stopfen und das dann mitnehmen?«, fragt einer. »Denn weil das ist ja offiziell keine Waffe.«
»Wenn ihr all diese Energie ins Denken steckt, dann lässt sich gar nicht absehen, was ihr alles tun könntet.« Christine lächelt. »Was wollt ihr denn machen, wenn ihr erwachsen seid und die Schule verlasst?«
»Keine Ahnung, hab wirklich echt keinen Schimmer.«
»Ihr könntet Arzt werden. Oder Zahnarzt oder Krankenschwester.«
»Oh, das könnte ich nie.«
»Was tut ihr, damit ihr sicher seid dort, wo ihr wohnt?«, fragt Christine.
Da ist ein nettes kleines Mädchen, gut erzogen und adrett gekleidet. Leuchtende, große Augen voller Interesse.
»Der Block, in dem ich wohne, da im Treppenhaus, der Wächter unten, der verkauft immer Drogen und bedroht uns, wenn wir an ihm vorbeikommen«, sagt sie. »Und er hat meinen Bruder abgestochen.«
Am Ende fragt Christine die Kids, was sie gelernt haben. Das kleine Mädchen hebt die Hand.
»Man muss einfach nur man selbst sein.«
Christine nickt. »Aye. Das stimmt.«
Sie packt ihren Kram zusammen und macht Anstalten zu gehen. Dann dreht sie sich noch einmal zu dem Mädchen um, prägt sich ihr Gesicht ein und winkt. Wie lange wird sie es schaffen, sie selbst zu sein, wenn sie doch von all diesen Sachen bedrängt wird? Der Gedanke daran nimmt sie mit. Wenn ich dich doch einfach mit nach Hause nehmen könnte, denkt sie.
»Ich mag meine kleinen jungen Straftäter, ich mag sie
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