The Hood
sein und seine Seite schonungslos gegen feindliche Übergriffe zu verteidigen und die Einkünfte aus dem Drogengeschäft zu schützen. Ein Busfahrer entführt und fünf Tage mit einem Dampfbügeleisen gefoltert, grauenhafte Verbrennungen am ganzen Körper, die Genitalien angeschmort – das alles wegen unbezahlter Drogenschulden. Es kursierten Geschichten über uneinnehmbare Festungen wie Stonebridge in Brent, mit hohen schwarzen Hochhäusern, von denen ein kleines Kind in den Tod gestürzt war und wo ein acht Monate altes Baby sechzehn Stunden lang zwischen den von Kugeln durchsiebten Leichen seiner Mutter, Tante und des zweiundsechzigjährigen Stiefvaters herumkrabbelte. Oder Broadwater Farm in Haringey, wo es zu heftigen Krawallen kam und ein Polizist mit einer Machete enthauptet wurde. Oder Brixton, wo ein stämmiger Rastafari, der jemandem ein wie eine Schusswaffe geformtes Feuerzeug an den Kopf hielt, von Cops mit vier Schüssen niedergestreckt wurde. Solche Geschichten erzählte man sich über London. Gefürchtet zu werden bedeutet, respektiert zu werden. Wir haben keine Angst vor dem Tod. Wir stehen hinter dir. Das ist der Codex der Straße. Tritt vor und sei ein guter Soldat.
»Wir gehen nicht mehr auf den Carnival«, sagt Pilgrim.
Nicht mehr, seit 2000 dieser Mann starb. Mehrere von denen hatten einem Kerl gegen den Kopf getreten, einen Müllcontainer auf ihn geworfen und ihn getötet, nur wegen einer Kette. Ganz schön bescheuert, aber so ist das eben.
»Du bist im Gefängnis, ich bin auf der Straße, du bist auf der Straße, ich bin im Gefängnis.« Ribz seufzt von hinten.
»Freunde verpassen sich ständig so.«
»Außer damals in den 90ern, als alle draußen waren«, sagt Pilgrim.
Man konnte sie vielleicht an einem späten Sommerabend sehen oder so, rauchend unter den Bäumen im Park. Oder wenn sie vom Land zurückkehrten oder wo auch immer sie sich trafen. Bisschen quatschen, so tun, als würde jeder jeden mögen. Klar, als Kinder habt ihr alle auf der Straße Münzen geworfen, aber das heißt nicht, dass man den anderen heute trauen kann. Wenn du Stress kriegst, sind diese Typen weg.
»Das wirst du nicht noch mal erleben«, sagt Steps mit grimmiger Miene und starrt dabei durch die Windschutzscheibe, wie von einem Todeswunsch getrieben. Sofern nicht jemand ermordet wird, denkt Pilgrim, und alle zur Beerdigung zurückkommen müssen. Wenn einer von ihnen umgelegt wird, reißen alle das Maul auf, dass sie andere Leute töten werden, aber es wäre ihnen egal. Step ’ s tut immer so, als hätte er Bock auf Gewalt, bis es dann so weit ist. Sein älterer Bruder ist in der Gegend bekannt. Aber außer auf einer Beerdigung wird man nicht alle zusammen an einem Ort sehen. Pilgrim denkt an die Worte seines Vaters. Er spürt die Waffe, die sich gegen das Sitzpolster in sein Kreuz drückt.
»Halt an«, brüllt Ribz und schlägt von hinten so fest gegen den Vordersitz, dass Steps’ Kopf nach vorne schießt. Ribz dreht sich um und mustert einen drahtig aussehenden Jungen in einer amerikanischen Pilotenjacke, der mit zwei schlaksigen Kumpels links und rechts die Straße hinaufstapft. Steps schaltet hektisch in den Zweiten runter und bremst ab, damit sie ihn richtig identifizieren können. »Das ist der Ficker, der Elijahs A3 hochgejagt hat.«
»War ne große Sache für ihn, die Karre zu kaufen. Hat viel Arbeit reingesteckt«, sagt Pilgrim. Er und Elijah sind Freunde, seit sie in dieses Land kamen. Sie wissen alle, dass Elijah hart arbeitet, ein guter Dealer ist. Wenn man in der Hood bleibt und dealt, macht man 500 bis 1 000 Pfund am Tag, wenn man Glück hat. Elijah steht morgens um halb acht auf, nimmt den Zug nach Colchester, Milton Keynes, wo immer er sein Fleckchen findet, wo ein Haufen Drogensüchtige zusammenkommt. Er könnte etwa 5 000 Pfund am Tag verdienen, abzüglich der 1 000 Pfund, die er braucht, um für den nächsten Tag wieder Ware einzukaufen. Also macht er einen Profit von 4 000 Pfund, bezahlt 500 Pfund die Woche an einen seiner Dealer und 350 Pfund, wenn er einen Fahrer hat. In der Hood verkauft er 0,2 für 20 Pfund, aber auf dem Land kann er 20 Pfund für 0,1 bekommen. Außerdem ist das Londoner Heroin reiner, direkt von der M25.
Wenn man einmal anfängt zu protzen, werden die Leute schnell neidisch. Dieser Typ war neidisch auf den A3, also hat er ihn eines Tages einfach angesteckt. Das Feuer griff auf den Benzintank über, und die Kiste flog in die Luft. Also will Ribz
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