The Hood
die Provvy.«
»Verräter«, blafft einer und deutet mit dem Kopf auf eine Wand voller Graffiti: »Nimm dich in Acht, Keiran Ross. Wie der Vater, so der Sohn.« Die Wand gehört Keirans siebenundsiebzigjähriger Oma. Robbie rennt los, um im Gebüsch nachzusehen, wo sie die Waffen deponiert haben. Alles noch da. Man kann ein feststehendes Taschenmesser beim Angelbedarf in Shettleston kaufen oder einen Golfschläger in der Stadt. Äxte und Tischlerhämmer unten im Baumarkt. Beile auf der Baustelle. Samurai-Schwerter haben einen Ehrenplatz über dem Kaminsims. Oder nimm einfach ein kleines Küchenmesser.
Sie haben eine Ewigkeit benötigt, um herauszufinden, wie sie Fotos von sich mit Stinkefinger und Buckie in der Hand ins Netz stellen können. Aber ein Typ der Aggro hat eine Flash-Website mit den zehn besten Gang-Fotos gebastelt. Die Fotos wechseln, je nachdem, wie viele Stimmen sie kriegen. Jeder redet von ihm und seiner schwulen Software. Flash-Bastard.
Sie gehen den Hügel hoch. Robbie fröstelt bei dem Gedanken an das, was passieren wird. Er fühlt sich benommen, hat einen Wahnsinnsdurst. Ihm rutscht das Herz in die Hose, als er nur Kleine ums Feuer sieht.
»Wo sind die Truppen?«
Schon bald treffen ältere Teenager ein, erfahrenere Gang-Fighter, schlanke, schnelle Läufer mit drahtigen Figuren. Einer in einem G-Star-Raw-T-Shirt ist erst kurz wieder draußen nach einer Haftstrafe wegen schwerer Körperverletzung.
»Wie war’s in Polmont?«
»Easy. Wie Urlaub.«
Er hat eine große Tüte dabei, das Zeichen, dass es übel enden wird. Drei Liter Frosty Jack für drei Pfund müssen reichen. Mad Dog 2020. Eine halbvolle Flasche Buckie wird Robbie in die Hand gedrückt. Er nimmt einen Schluck. Es ist süß wie eine Coke. Geht locker runter. Die Glasflasche ist auch praktisch als Geschoss. Das Koffein wird ihn auf Zack halten. Er hat jetzt weniger Angst, fühlt sich gestählt für den Kampf.
»Scheiß auf die Den Toi«, brüllt er. Jetzt ist er voll drauf. Sein Dad war in einer Gang. Es gibt sie schon immer, seit Easterhouse in den 50ern errichtet wurde. Die Drummy, die Provvy, Aggro, Den Toi und die Bal Toi.
*
John und Karyn sitzen in einem Auto im Regen vor dem Shandwick Shopping Centre und essen Cheeseburger. Sie kommen gerade von einem Treffen mit einem örtlichen Sozialarbeiter.
»Ich kann Ihnen sagen, die Gangs, die die meisten Probleme verursachen, sind nicht die Bal Toi«, sagt John. »Die Gangs, die die meisten Probleme verursachen, sind das Gesundheitswesen, das Jugendamt, das Schulwesen, die Polizei, die Bezirksregierung und die schottische Regierung, denn die liefern sich Revierkämpfe genau wie alle anderen auch. Das fällt in unseren Etat, nein, in unseren, das können wir nicht ausgeben, das hat nichts mit uns zu tun. So läuft es doch ständig.«
Karyn will den letzten Bissen nehmen, zögert dann. »Sie haben hier schon als Streifenpolizist gearbeitet, richtig?«, erinnert sie sich.
Er nickt. »Wir hatten hier mal einen Oranier-Marsch.« Er gestikuliert mit der Hand aus dem Fenster. »Es gab ein paar kleinere Probleme, also hatte der zuständige Superintendent entschieden, die Sache abzubrechen. Wir landeten dann in der Cairnbrook Road, die zwischen zwei Highschools verläuft – St. Leonards gibt es heute noch, aber die Lochend Secondary war so etwas wie eine nichtkonfessionelle Gemeinschaftsschule. Dort parkten wir. Vor uns eine Gruppe sehr unglücklicher Leute. Überwiegend junge Typen. Da waren Flaschen und Steine. Es war eine echte Pattsituation. Ich erinnere mich, wie unser Superintendent vortrat, und ein Mitglied der Marschkapelle ebenfalls. Er sagte: ›Lasst die Jungs von der Band in die Busse steigen und fahren.‹ Alles war bestens. Und dann kam aus dem hinteren Teil der Menge diese Flasche angeflogen, ich kann mich immer noch genau an das Geräusch erinnern, das sie gemacht hat – fffäh-fffäh-fffäh –, wie sie durch die Luft segelte. Irgendwer sagte, ›Pass auf, Flasche!‹, und der Superintendent sagte, ›Pass selber auf!‹, und er drängte den Typ von der Band vor und schob ihn genau in die Flugbahn. Es hätte nicht besser sein können, wenn er ihn wie ein Ziel aufgestellt hätte, jedenfalls landete die Flasche sauber mitten auf seinem Schädel.«
Beide lachen. John dreht den Zündschlüssel.
»Man nannte es einen Donnybrook in Cairnbrook. Ein Donnybrook ist eine wüste Keilerei.«
Sie hebt den Blick zum Himmel. Sie weiß, was ein Donnybrook ist. Der Wagen
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