The Immortals 6: Rivalin des Schicksals (German Edition)
Wirklichkeit standen sie jedoch in unmittelbarer Nähe der belebten Vororte von Giseh. Und die Szenen, die sich auf dem Areal abspielten, glichen dem reinsten Karneval. Dort wimmelte es nicht nur von Touristen aus aller Welt, sondern auch von Schulklassen auf Exkursion, Souvenirverkäufern, spuckenden Kamelen und Fahnen schwingenden Reiseleitern.
Hätte sich Mimi mehr um ihre Gedächtnisübungen gekümmert, dann hätte sie sich jetzt daran erinnert, dass es nie anders gewesen war. Die Pyramiden waren von den Blue-Blood-Pharaonen als eine Art Fenster in der Gedankenwelt errichtet worden – Leuchttürme, die den Geistern halfen, den Weg nach Hause zu finden. Doch die Red Bloods, die über die Größe und Schönheit der Bauwerke staunten, wurden von Anfang an von ihnen angezogen wie Motten vom Licht. Die Pyramiden waren schon immer eine Touristenattraktion gewesen, was die Vampire ziemlich merkwürdig fanden.
Der Fahrer parkte den Wagen so nah wie möglich vor dem Eingang und sie stiegen aus. Mimi schirmte die Augen vor der Sonne ab und sah an den prachtvollen Bauwerken hinauf. Ihr Anblick war einfach gewaltig. Sie erinnerte sich, dass die Gräber in ihrer ursprünglichen Form mit polierten Kalksteinblöcken bedeckt und dadurch noch schöner gewesen waren. Mimi fand es sehr schade, dass sie im Laufe der Jahrtausende für andere Bauprojekte abgetragen worden waren. Nur die zweithöchste Pyramide, Chephren, hatte noch eine Kalksteinverkleidung an der Spitze.
Gegenüber vom Pyramidenkomplex befand sich der Giseh Hut , wie jeder den Pizza Hut auf der anderen Straßenseite nannte. Während ihrer ersten Kairo-Reise hatten Mimi und Oliver dort zu Mittag gegessen und Oliver hatte ein Foto gemacht, auf dem das moderne Restaurantlogo neben einem Fenster mit Blick auf die Grabbauten zu sehen war. Man musste kein Blue Blood sein, um die köstliche Ironie oder die heiße Pizza würdigen zu können.
Natürlich war es pures Glück gewesen, dass Mimi und Oliver diesen Eingang zur Unterwelt überhaupt entdeckt hatten. Oliver hatte die Archivakten studiert und geschlussfolgert, dass sich das Tor der Verheißung in Alexandria befinden musste.
Doch als sie in Kairo gelandet waren, hatte er plötzlich seine Meinung geändert. Ein Mitreisender hatte die Stadt Big Mango genannt, was dazu führte, dass sie sich über die Herkunft des Stadtnamens unterhielten.
Oliver war ganz aufgeregt gewesen, als er herausfand, dass Kairo als »die siegreiche Stadt« bezeichnet wurde. Die Stadt der Sieger an den Ufern des goldenen Flusses , hatte Oliver aus seinen Notizen vorgelesen und den Zusammenhang erklärt. Nicht, dass Mimi auch nur ein Wort dieses ganzen Geredes über die Tore zur Hölle kapiert hätte. Sie hatten ihren Weg gar nicht erst bis Alexandria fortgesetzt, weil Oliver davon überzeugt gewesen war, dass sich das Tor in Kairo befand, und Mimi war ihm einfach gefolgt.
Während sie den überfüllten Platz durchquerten, grübelte Mimi über diesen relativ einfachen Pfad zur Hölle nach. Stand hier nicht eines der berühmten Tore, nach dem die Tussi ihres Bruders suchte? Das Tor aus dem sogenannten Vermächtnis der van Alens? Könnte es möglich sein, dass Jack in der Nähe war? Irgendetwas lag in der Luft, das spürte sie, etwas in der Gedankenwelt, das sich wie Jacks Gegenwart anfühlte, aber sie war sich nicht sicher.
Es war schon lange her, seit sie das letzte Mal telepathisch miteinander kommuniziert hatten, seit sie seine Gedanken hatte lesen können. Mimi fühlte den Hass wieder wie Galle in sich aufsteigen. Immer wenn sie an ihren Zwillingsbruder dachte, wurde ihr Mund staubtrocken. Eines Tages würde sein Leben in ihren Händen liegen, das hatte sie sich geschworen. Er schuldete ihr noch ein Blutgericht, einen Kampf auf Leben und Tod. Doch sie schob die dunklen Gedanken erst einmal zur Seite. Der Abstieg in die Unterwelt erforderte ihre ganze Aufmerksamkeit.
Auch wenn für die bevorstehende Reise kein Todeslauf nötig war – ein gefährlicheres Wagnis, das nur äußerst erfahrene Venatoren zustande brachten, denn man musste die Spur seines Geistes durch einen Scheintod verbergen –, war ihr Vorhaben nicht ganz einfach. Ohne Zweifel würde es für ihren menschlichen Begleiter ziemlich anstrengend werden.
Mimi hatte vor, mit ihrem und Olivers vollständigem physischen Sein in die Gedankenwelt einzutreten, sodass keine Trennung zwischen Körper und Geist stattfand. Todesläufer hatten die Fähigkeit, sich zu jeder Zeit und an
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