Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
The Longest Way: 4646 Kilometer zu Fuß durch China (German Edition)

The Longest Way: 4646 Kilometer zu Fuß durch China (German Edition)

Titel: The Longest Way: 4646 Kilometer zu Fuß durch China (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Rehage
Vom Netzwerk:
gehen wir endlich zum Markt und kaufen Wasser und Dosenmais, dazu ein paar Fladenbrote. Außerdem noch eine Bastmatte, um auf dem heißen Asphalt liegen zu können, zwei Plastikhocker und einen enormen Sonnenschirm.
    »Vielleicht kommt dann das Badmintonset ja auch noch zum Einsatz«, meint Ruben, und ich entgegne: »Auf jeden Fall!« Doch auch ich glaube nicht mehr daran.
    Dann legen wir uns wieder auf unsere Betten.
    An dem Morgen, als wir wieder losgehen wollen, warnt uns die Rezeptionistin vor einem Sandsturm. »Wollen Sie wirklich heute aufbrechen?«, fragt sie. »Das Wetter ist nicht sehr gut.«
    Ich betrachte draußen den Himmel; er sieht blau und friedlich aus. Ich zucke mit den Schultern, Ruben auch.
    Dann marschieren wir los.
    Noch ehe wir die Stadt verlassen haben, bricht das Unwetter herein. Menschen ziehen ihre Kragen hoch und hasten mit gesenkten Köpfen über die Straßen, Fahrzeuge verschwinden in der Ferne, blasse Staubwirbel senken sich aus dem Himmel undfahren tastend über die Häuser und Straßen hinweg. Ich kenne diese Wirbel, es sind die Finger des Sturms.
    »Das wird tatsächlich einer«, sage ich, und Ruben grinst. Ich kann sehen, wie er sich freut.
    Der Sandsturm ist anders als der erste, den ich erlebt habe. Er ist keine dunkle Wolke, die sich über die Landschaft wälzt, sondern eine allgemeine Verfärbung des Himmels. Er kommt von überall, reißt an unserer Kleidung und schleudert Steinchen herum, und mittendrin dreht sich Ruben von der Gurke herab zu mir um und brüllt etwas, das ich in dem Lärm zunächst kaum verstehen kann. Er reckt begeistert einen Daumen hoch: »Super!«
    Wir schaffen es bis zu einer Mautstation. Vor ihr sind Unterstände aufgebaut, in denen Melonen angeboten werden. Die Verkäufer winken uns herein, wir stellen die Fahrzeuge in einem Winkel ab und nehmen Platz. Zu unseren Füßen liegen die reifen Früchte, draußen tobt der Sturm. Ich kaufe zwei Hami-Melonen.
    »Nehmt euch noch mehr«, sagt die Verkäuferin, »wir haben hier die besten Melonen weit und breit!«
    Als wir wieder in der Wüste sind, geht es uns beiden schlecht. Die Verkäuferin hatte immer mehr Früchte vor uns aufgetischt, und als wir nicht mehr konnten, kam sie mit gedörrten Melonenstreifen, so köstlich und so süß, wie nur Melonen aus dem Land der Melonen sein konnten, denen die Sonne alles entzogen hatte außer ihrem Geschmack. Wir aßen, bis uns schwindelig war, ich kaufte noch eine Tüte als Geschenk für Julis Eltern, dann wankten wir los.
    In den Sturm hinein.
    Wir machen uns Sorgen um die Gurke. Sie wird mit jedem Kilometer ein bisschen klappriger, und ihre Bremsen funktionieren schon lange nicht mehr richtig. Es sind zwei Riemen, die direkt auf der Achse aufliegen und über einen Hebel bedient werden. Beide werden mit jedem Kilometer lockerer.
    Wir laufen auf der Trasse der Straße durch die Wüste. Sie istetwa anderthalb Meter hoch und seitlich abgeschrägt, in regelmäßigen Abständen führen Röhren unter ihr hindurch. Der Sandsturm faucht und prasselt.
    Als es Abend wird und der Himmel eine dunkelblaue Färbung annimmt, tragen wir die Gurke und die Kabutze die Böschung hinunter und suchen eine Stelle, um die Zelte aufzuschlagen.
    Der Wind tost. Wir kramen Rubens Zelt aus der Kabutze, und auf einmal ist seine Isomatte weg. Eben war sie noch da. Der Sturm muss sie fortgerissen haben.
    Wir rammen die ersten Heringe in das Geröll. Ich knie mit dem Rücken zum Wind, Ruben hockt mir mit verzerrtem Gesicht gegenüber, wir pressen das Zelt nach unten. Es wirft sich zappelnd hin und her, und es vergeht eine Weile, bis wir es endlich aufgebaut haben, doch es will nicht stabil stehen. Der Wind kann von der Seite darunterfassen, die Nähte sind überlastet, es droht jeden Moment zu zerreißen.
    Wir knüllen es zusammen und stopfen es in die Kabutze, holen mein Zelt hervor. Es ist zwar nur für eine Person gedacht, ist aber stabil genug, um dem Sturm standzuhalten. Als es steht, duckt es sich unter dem Sturm weg wie eine Katze, und ich bin zum ersten Mal froh, dass ich so viel Geld dafür ausgegeben habe.
    Ruben reibt sich die Augen.
    Ich sage: »Es ist klein, aber es muss gehen.«
    Er schüttelt den Kopf.
    Ich stelle die Räder der Kabutze und der Gurke auf die Heringe des Zeltes, um sie zusätzlich zu verankern.
    »Meine Augen tun weh«, sagt Ruben.
    Ich lege meine Isomatte im Zelt aus und sage ihm, er solle sich darauflegen, während ich mich um unser Gepäck und um das Essen kümmere. Als

Weitere Kostenlose Bücher