The Lost
Kumpels. Seit der siebten Klasse. Ray hatte Mitleid gehabt mit dem dünnen pickligen Schwächling, der er damals gewesen war, und hatte Joey Spagnoli – einen großen, starken bescheuerten Fettsack aus Newarks Slums – eines Tages in der Schulpause mit einem Kinnhaken zu Boden geschickt, weil Joey ihn – Tim – mal wieder grundlos herumgeschubst hatte. Für Ray war es nichts Besonderes gewesen. Nur eine freundschaftliche Geste. Für Tim hingegen war es ein Wendepunkt. Danach hatte weder Spagnoli noch sonst irgendwer ihn je wieder angerührt. Es war das Ende seiner langen traurigen Leidenszeit gewesen, der Leidenszeit der Schwachen.
Es war die Geburtsstunde jenes Tims gewesen, der er heute war.
Seither waren er und Ray Kumpels. Sie waren Vertraute.
Darum war ihm Rays Verhalten nach der Party so an die Nieren gegangen.
Und gegen halb drei klingelt es dann an der Tür, und als er aufmacht, steht Jennifer vor ihm, und wie durch ein Wunder war es plötzlich ein ganz anderer Tag.
Zieh dich aus, Tim.
Sie hatte getrunken. Zwei, drei Bier wahrscheinlich. Er roch es an ihrem Atem. Aber sie war nicht besoffen oder so.
Also war er der Aufforderung freudig und ohne zu zögern nachgekommen, und jetzt lag er nackt auf dem Bett, ein bisschen verlegen wegen seiner anschwellenden Erektion. Er sah dabei zu, wie sie sich das Höschen auszog, und betrachtete ihre hübschen, sanft hin und her wiegenden Brüste mit den dicken Nippeln. Sie hatte einen kleinen Bauch und etwas Speck an den Hüften. Aber er hatte sie schon öfter im Badeanzug gesehen, er wusste das bereits, und es war ihm egal. Völlig egal.
Sie wirkte sehr ernst, als sie vom Fußende des Betts zu ihm hinaufkroch und ihn küsste. Sie lächelte nicht. Ihr Oberschenkel streifte seinen Schwanz, der jetzt voll erigiert war. Irgendwie kam ihm die ganze Sache seltsam vor, als wäre das hier für sie mehr als nur Sex. Seht sie nur an. Wie ernst sie ist. Was will sie von mir?
Was auch immer sie dir anbietet, nimm es, dachte er. Und so geschah es dann auch.
Tim war sehr zärtlich, ganz anders als Ray. Sie kannte ihn besser als irgendein anderer Mensch und wusste, dass es so werden würde. Das war mit ein Grund dafür, dass sie jetzt hier lag.
Letzte Nacht hatte sie sich so traurig und einsam gefühlt. Wie nicht anders zu erwarten gewesen, schliefen ihre Pflegeeltern bereits, als sie nach Hause kam, aber selbst wenn sie hellwach gewesen wären, hätte ihr das nichts genutzt. Die Griffiths waren nette Leute. All die Jahre hatten sie sie gut behandelt, im Gegensatz zu ihren früheren Pflegeeltern. Es war nett von ihnen, sie mit zwanzig immer noch bei sich wohnen zu lassen, schließlich war sie kein Kind mehr und gab sich mit Leuten ab, die ihnen nicht geheuer waren. Sie behandelten sie fast wie ein leibliches Kind. Aber selbst als ihre leibliche Tochter hätte sie mit ihnen wahrscheinlich nicht über Ray reden können. Wie konnte man jemandem, der ihn nicht kannte, von Ray erzählen und erklären, warum sie bei ihm blieb? Erst recht, da sie die Hälfte der Zeit selbst nicht wusste, warum.
Sie hatte lange wach gelegen, und als die Tränen endlich versiegt waren, war da immer noch diese Einsamkeit, und sie hatte sich dabei ertappt, wie sie an Tim dachte. Nicht daran, sich ihm anzuvertrauen, obwohl sie wusste, dass er ihr zuhören würde, sondern wie sie eng umschlungen mit ihm dalag, während er sie zärtlich berührte. Mit seinen sanften Händen, Hände, die sich nicht zu Fäusten ballten, sie packten und zudrückten oder gar grundlos zuschlugen. Mit diesen Gedanken war sie eingeschlafen, und als sie am nächsten Morgen aufwachte, war er immer noch da.
Sie hatte mehrfach vergeblich versucht Ray zu erreichen. Es hatte sie verletzt und verrückt gemacht, also hatte sie ein paar Bierchen getrunken und schließlich gedacht: Scheiß drauf, man kann seinen Tag auch besser als auf diese Weise verbringen. Und dann war ihr wieder eingefallen, woran sie letzte Nacht vor dem Einschlafen gedacht hatte.
Darum lag sie jetzt hier und verführte Tim.
Viel hatte sie nicht tun müssen, um ihn ins Bett zu kriegen.
Das war ihr klar gewesen.
Sein Körper war ganz anders als der von Ray, fast haarlos bis auf das hellbraune Schamhaar, und er war schmal und drahtig und hatte kaum Muskeln. Seine Brust und die Schenkel waren mit Sommersprossen übersät. Aus der Nähe waren seine Augen erschreckend blau, die Wimpern fast durchsichtig. Ihr gefiel sein frischer, kaum wahrnehmbarer Duft. Ray war
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