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The Road of the Dead

The Road of the Dead

Titel: The Road of the Dead Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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Trauer und Schuld.
    |103| »Es tut mir leid«, sagte sie. »Ich wollte es dir sagen – ehrlich. Ich fühle mich einfach so mies deswegen. Ich weiß nicht, wie ich   –«
    »Hast du sie gesehen?«, fragte Cole leise. »Hast du Rachel gesehen?«
    Abbie schüttelte den Kopf. »Ich war wahrscheinlich zehn Minuten hinter ihr   … vielleicht weniger.« Sie wischte sich eine Träne aus dem Auge. »Gott, wenn ich doch nur ein paar Minuten früher los wär   …«
    »Es war nicht deine Schuld«, erklärte ihr Vince.
    Auf einmal warf sie ihm einen Blick zu und für einen kurzen Moment sah ich etwas anderes hinter den Tränen. Ich sah Abscheu und Wut. Ich sah Hass. Das Ganze verschwand so schnell, wie es aufgetaucht war, doch ich wusste, ich hatte mich nicht getäuscht. Die Reaktion von Vince war der Beweis – er wirkte wie ein Mann, dem man gerade ins Gesicht geschlagen hatte. Auch Cole sah es.
    »Was war mit deinem Wagen?«, fragte er Vince.
    »Wie?«
    »Dein Wagen. Du hast gesagt, er wär nicht angesprungen. Wieso nicht?«
    »Der Vergaser.« Vince zuckte die Schultern. »Erst dachte ich, es läg nur am Regen, verstehst du   … es hat ja in Strömen gegossen. Ich dachte, der Motor wär nass geworden. Aber auch als ich alles trocken hatte, ist er nicht angesprungen. Ich musste am nächsten Tag einen neuen Vergaser einbauen lassen.« Er zuckte noch einmal die Schultern. »War einfach Pech.«
    »Was heißt das?«, fragte Cole.
    »Na ja, weißt du   …«
    Cole starrte ihn bloß an.
    |104| Vince sagte: »Ich meine nur, dass wir vielleicht was gesehen hätten, das ist alles. Verstehst du, wenn der Wagen nicht kaputt gewesen wär und ich Abbie abgeholt hätte   –«
    »Dann hättet ihr Rachel vielleicht gesehen?«
    »Ja.«
    »Aber das habt ihr nicht?«
    »Nein.«
    Cole wandte sich wieder an Abbie. »Und du hast auch nichts gesehen, als du zurückgelaufen bist?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    Cole wurde wieder stumm.
    Alles wurde stumm.
    Ich fing langsam an, mich ein bisschen verloren zu fühlen. Es passierte zu viel, was ich nicht verstand. Es gab zu viele Empfindungen. Zu viele Richtungen. Zu viele Linien und Farben in meinem Kopf. Zu viele Schemen.
    »Ich glaube, wir gehen jetzt mal besser schlafen«, sagte ich in das Schweigen hinein.
    Cole sah mich an. Nicht jetzt, sagten seine Augen, ich bin noch nicht fertig.
    » Ich bin müde«, erklärte ich und stieß ihn unter dem Tisch an.
    Er starrte noch einen Moment in meine Richtung, dann nickte er. »Ja, gut«, sagte er, »war ein ziemlich langer Tag. Vielleicht hast du recht.« Er rieb sich den Nacken und drehte sich wieder zu Abbie um. »Stört’s dich, wenn wir jetzt schlafen gehen?«
    »Nein, natürlich nicht.«
    Da lächelte er sie an, was mich echt überraschte. Ich wusste, es war nur vorgetäuscht, aber es war trotzdem schön, das Lächeln zu sehen. Cole lächelt selbst in guten Zeiten nicht viel und seit Rachels |105| Tod war er nicht mal mehr in die Nähe eines Lächelns gekommen.
    Er lächelte weiter, als wir Gute Nacht sagten und sie allein ließen, doch sobald wir aus der Küche heraus waren, wurde sein Gesicht frostig und das Lächeln verschwand wie die Sonne hinter Wolken.
     
    Soweit ich mich erinnern konnte, hatte ich noch nie eine Nacht mit Cole im selben Zimmer verbracht. Es war nie nötig gewesen. Anders als Cole, der in einem Wohnwagen zur Welt gekommen war, war ich in dem Haus am Autofriedhof geboren und aufgewachsen. Es war nicht gerade der tollste Ort der Welt, aber es hatte jede Menge Zimmer: Wohnzimmer, Esszimmer, Badezimmer, Schlafzimmer – so viele Schlafzimmer, dass ich zeitweise jede Woche in einem anderen schlief. Manchmal war ich nicht mal auf demselben Stockwerk wie Cole.
    Also war das hier eine neue Erfahrung für mich – einen Schlafplatz mit meinem Bruder zu teilen. Und irgendwie gefiel es mir.
    Allerdings kamen wir nicht viel zum Schlafen.
     
    Die erste Stunde oder so saßen wir bloß auf dem Bett und redeten im Flüsterton. Cole fragte mich immer wieder, was ich dachte – über Abbie und Vince, über Red, über Pomeroy und Bowerman. Und ich war gern bereit, es ihm zu sagen. Aber nach einer Weile merkte ich, dass von ihm nichts zurückkam. Das Ganze war vollkommen einseitig und ich hatte gar nichts davon. Deshalb ergriff ich die Gelegenheit, als Cole sich kurz unterbrach, um eine Zigarette anzuzünden, und fragte ihn, was
er
denn über alles dachte.
    Zuerst antwortete er nicht. Er ging mit der Zigarette rüber zum |106| Fenster und

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