The Road of the Dead
trinkt manchmal was im Bridge, ist doch so, nicht?«
»Das kann man wohl sagen«, murmelte Vince.
Abbie wandte sich wieder Cole zu. »Ron ist der Beamte für die Landgemeinden hier in der Gegend. Er sitzt in Yelverton, aber er ist für alle hiesigen Dörfer zuständig.«
»Hat er mit Rachels Fall was zu tun?«
»Also, nicht richtig …«
»Was heißt das?«
Sie zögerte und schaute wieder hinüber zu Vince, doch sein Gesicht bot ihr keine Hilfe. Sie schluckte leise und wandte sich zurück an Cole. »Ron ist der Erste gewesen, der am Tatort war.«
»Er hat sie
gefunden
?«
Abbie schüttelte den Kopf. »Nein, ein Waldarbeiter hat sie gefunden. Der hat es über Funk weitergegeben und die Forstleute haben dann Ron angerufen. Ron ist schließlich raus und hat das Gebiet abgesperrt, bis die Kommissare aus Plymouth da waren. Danach haben sie übernommen. Ich glaub nicht, dass Ron sonst noch was damit zu tun hatte.«
Während sie es erzählte, dachte ich an das, was Bowerman gesehen haben musste. Er musste Rachels Leiche gesehen haben, nackt, misshandelt, tot. Er musste sie
gesehen
haben. Er war da gewesen.
Bei
ihr gewesen. Und jetzt, weniger als eine Woche später, demütigte er ihren Bruder und jagte ihn aus der Kneipe …
Ich sah Cole an. Der Hass in seiner Seele brachte ihn um. Im Moment hielt er diesen Hass noch unter Kontrolle, aber ich wusste, so würde es nicht lange bleiben. Wenn die Zeit kam – und ich hatte keinen Zweifel, dass sie kommen würde –, würde sich Ron Bowerman wünschen, niemals geboren worden zu sein.
|101| »Wo wurde ihre Leiche gefunden?«, fragte Cole Abbie.
»Ungefähr anderthalb Kilometer von hier«, erklärte sie ihm, drehte sich um und zeigte durchs Fenster. »Den Weg rauf. Es gibt da einen Moorpfad, der durch den Wald hoch Richtung Lakern Tor führt.«
»Können wir hingehen?«, fragte Cole.
»Wann?«
»Jetzt.«
Abbie schüttelte eilig den Kopf. »Nein … jetzt nicht. Nachts sieht man da draußen nichts. Wir würden die Stelle nie finden.«
»Und zurück auch nicht«, ergänzte Vince.
»Vielleicht morgen«, sagte Abbie.
Cole nickte still und starrte aus dem Fenster. Die Dunkelheit war undurchdringlich. Es gab nichts zu sehen – keine Lichter, keine Bewegung, kein Leben –, doch Cole schaute trotzdem weiter hinaus.
Abbie murmelte etwas zu Vince, dann fing sie an, den Tisch abzuräumen. Vince ging zum Kühlschrank und holte sich noch ein Bier. Er wirkte inzwischen ziemlich betrunken. Sein Gesicht war roter als sonst, die Augen wirr, und als er sich wieder an den Tisch setzte, musste er eine Hand ausstrecken, um sich abzustützen.
»Okay«, sagte er zu mir und riss die Bierdose auf.
Ich nickte und drehte mich zu Cole um. Er schaute noch immer aus dem Fenster und starrte in die Dunkelheit.
»Cole?«, sagte ich.
Er blinzelte und sah mich an.
»Alles in Ordnung?«, fragte ich leise.
Er antwortete nicht, sondern blinzelte wieder und schaute hinüber zur Spüle, wo Abbie sich gerade an einem Geschirrtuch die |102| Hände abtrocknete. »Um wie viel Uhr nachts bist du nach Hause gekommen?«, fragte er sie.
»Wie bitte?«
»In der Nacht, als Rachel gestorben ist … du hast gesagt, du wärst bei deiner Schwiegermutter gewesen.«
»Das haben wir doch schon durchgesprochen.«
»Ich weiß. Tut mir leid. Ich will nur alles geklärt haben.«
»Okay«, seufzte sie. »Ja, ich war bei meiner Schwiegermutter.«
»Wann warst du wieder hier?«
Abbie warf Vince einen Blick zu. Der glotzte sie bloß an. Sie wandte sich zurück an Cole, während sie immer noch ihre Hände an dem Geschirrtuch rieb. »Ich erinnere mich nicht mehr genau … es war spät.« Sie schaute wieder zu Vince hinüber. »So gegen eins, oder?«
»Irgendwas um den Dreh.« Er trank einen Schluck. »Ich wollte sie abholen«, erzählte er Cole, »aber dann hab ich den Motor nicht zum Laufen gekriegt. Sie musste zu Fuß zurück.«
Cole sah Abbie an. »Du bist zu Fuß nach Hause?«
Sie nickte. »Ich war total durchnässt.«
»Du bist vom Dorf aus bis hierhin zu Fuß gegangen?«
Sie nickte wieder, diesmal langsamer, und schaute dabei auf das Geschirrtuch in ihren Händen. Cole starrte sie nur an. Ich auch. Wir dachten beide das Gleiche: Wenn sie in der Nacht vom Dorf aus nach Hause gelaufen war, musste sie den gleichen Weg wie Rachel gegangen sein. Gleiche Nacht. Gleiche Strecke.
Gleiche Nacht.
Gleiche Strecke.
Als Abbie schließlich aufsah, war ihr Gesicht blass und ihre Augen voller
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