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The Road of the Dead

The Road of the Dead

Titel: The Road of the Dead Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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hundert Meter. Es war nicht zu weit, um jemanden zu tragen. Ich starrte den Abhang hinab und stellte mir den Toten Mann vor, wie er mühsam den Berg hinaufstieg, über die Felsen kletterte und den Leichnam meiner Schwester durch den prasselnden Regen trug   …
    Warum?
    Warum hat er es getan?
    Warum hat er Rachel umgebracht?
    |152|
Warum hat er sie hier raufgebracht?
    Warum?
    Ich spürte, wie jetzt die Fragen in meinem Kopf kreisten. Warum hatte bisher keiner John Selden erwähnt? Warum erzählte mir Jess jetzt von ihm? Wer war er? Woher kam er? Wer hatte ihn umgebracht? Und warum? Und was hatten sie mit seiner Leiche gemacht   …?
    Und dann plötzlich spürte ich etwas anderes – ein vertrautes Jagen des Bluts in meinem Herzen. Es war dieselbe plötzliche Angst, die ich in der Nacht gespürt hatte, als Rachel starb, nur ging sie diesmal von Jess aus. Ich schaute hinüber zu ihr. Sie blickte starr geradeaus, hinter den Steinkreis, wo drei Gestalten den Berg hinab auf uns zugeschlappt kamen. Sie gingen nebeneinander. Die beiden äußeren trugen Schrotflinten, der in der Mitte war Red.

|153| Neun
    I ch beobachtete die drei Männer, wie sie sich dem Steinkreis näherten. Red sah genau aus wie am Tag zuvor. Er trug immer noch seinen schmuddeligen roten Anzug, lachte immer noch durch seine spitzen Zähne und fixierte mich mit seinen falsch wirkenden Augen. Mit den Händen in den Taschen und dem aufgestellten Anzugkragen sah er aus wie irgendein irrer Gangster vom Lande. Die anderen beiden waren wandelndes Gemüse. Der eine, rechts von Red, sah aus wie eine Kartoffel – breiter Schädel, schäbige kleine Augen, unebene braune Haut   –, während der auf der Linken wie ein Sojabohnenkeimling auf Beinen wirkte. Groß und dürr, mit knollenartigem Kopf, Meerrettichfingern und Augen, die eine Zwiebel zum Weinen bringen konnten. Die Kartoffel trug eine Army-Jacke und Stiefel, der Dünne steckte in einer ärmellosen Nylonjacke und hatte eine Baseballkappe auf. Beide hatten ihre Schrotflinten über die Schulter gehängt und keiner von ihnen lachte.
    Als sie den Rand des Steinkreises erreichten, spürte ich, wie sich Jess neben mich drängte. Sie sagte nichts, doch das musste sie auch gar nicht – ich empfand jetzt
mit
ihr, teilte ihre Sinne, sah die drei Männer durch ihre Augen. Sie erkannte Red und die Kartoffel, |154| doch die Bohne hatte sie noch nie gesehen. Sie wusste aber, was das für einer war. Solche wie ihn hatte sie schon hundertfach gesehen – wir beide hatten das. Er war ein Angstsauger, er lebte, so wie die beiden anderen auch, von der Furcht, die er in anderen auslöste. Und jetzt bereiteten sie sich genüsslich auf ihr nächstes Mahl vor.
    Wir sahen, wie ihnen bei dem Geruch unserer Angst das Wasser im Mund zusammenlief, und es gab keine Chance, sie zu verbergen. Wir hatten
Angst
– basta. Aber wir funktionierten noch. Wir sahen den stumpfen Glanz ihrer doppelläufigen Flinten. Wir sahen das tote Kaninchen, das aus Kartoffels Tasche hing, wir sahen die Fingerspur Kaninchenblut in seinem Gesicht.
    Wir hofften beide, sie würden am Rand des Steinkreises stehen bleiben, doch das taten sie nicht. Sie waren empfindungslos, ohne Gespür für unsichtbare Dinge. Sie liefen ohne den leisesten Zweifel quer durch den Kreis – unter dem Weißdorn her, über den Geist von Rachels Leiche hinweg, durch die wandernden Schatten des Toten Mannes, direkt auf uns zu.
    »Hey«, sagte Red und warf mir ein Lächeln zu. »Wie läuft’s denn so?«
    Es war so eine Frage, die Angstsauger stellen, um den Kampf zu eröffnen –
Was glotzt du? Hast du ein Problem?
–, und wir beide wussten, es war sinnlos, darauf zu antworten. Red wusste es auch. Das sagten mir seine lachenden Augen, der wackelnde Kopf und das Schulterzucken. Das sagte mir die Art, wie er grinste und sich die Nase am Jackenärmel abwischte.
    »Alles okay?«, fragte er.
    Meine Gedanken jagten zurück zu den Ereignissen gestern.
Alles okay?,
hatte er gesagt und ich hatte daraufhin einfach den |155| Mund gehalten und gewartet, dass Cole sein Ding durchzog. Aber jetzt war ich allein. Mit Jess.
    Red lächelte mich an. »Wo ist Jackie Chan?«
    »Wer?«
    Er schlug mit der Faust in die Luft und ich zuckte zurück, doch als er wieder zu grinsen anfing, sich an die Kehle fasste und stöhnte, kapierte ich, dass er anspielte auf das, was Cole mit Big Davy gemacht hatte.
    »Muss schön sein, so einen großen Bruder zu haben«, sagte er, nahm die Hände von seiner Kehle und

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