The Road of the Dead
Ich wollte nicht sehen, dass Cole verletzt war oder noch etwas Schlimmeres. Denn wenn ich es nicht sah, würde es auch nicht wahr sein.
»Hast du vor, für immer da sitzen zu bleiben?«
Seine Stimme rann durch meinen Körper wie eine Welle frisches Blut, und als ich mich umdrehte und ihn in der Tür stehen sah, war es ein derart großartiges Gefühl, dass ich am liebsten geweint hätte.
|238| »Alles in Ordnung mit dir?«, fragte er.
Ich nickte, im Augenblick unfähig zu sprechen. Ich konnte nichts anderes tun, als ihn anstarren. Er atmete schwer und er hatte eine Platzwunde über dem Auge, aber davon abgesehen schien er okay. Das Zimmer hinter ihm wirkte düster und staubig, die abgestandene Luft roch nach verbranntem Pulver. Ein schwaches gelbes Licht kam von einer Tischlampe und ließ schwere graue Vorhänge, ein klobiges Ledersofa und jede Menge dunkle Holzmöbel erkennen. Einer der Heavy-Metal-Typen lag ausgestreckt, mit dem Gesicht nach unten, auf dem Sofa, der andere zu einer Kugel zusammengerollt gleich hinter der Tür. Am anderen Ende des Zimmers saß einer der Rocker aus der Kneipe mit dem Rücken gegen eine schwere Eichentür gelehnt auf dem Fußboden. Seine Zähne lagen frei, er hielt sein Bein umklammert und versuchte das Blut zu stillen, das von einer Schusswunde in den Oberschenkel herrührte. Nach der Lache unter ihm auf dem Boden zu urteilen, gelang ihm das nicht.
Ich sah Cole an.
»Er hatte ein Messer«, sagte er mit einem Schulterzucken. »Ich hatte keine Wahl.«
»Was ist mit den andern?«
»Die sind bald wieder okay.«
Ich nickte und schaute noch einmal zu dem Rocker hinüber. Er sah nicht gut aus. Seine Augen wirkten trüb. Das Gesicht stach weiß gegen die dunkle Eichentür ab und ich überlegte, ob er wohl sterben würde. Und wenn er starb, was hieße das? Knochen und Staub, dachte ich, Reste von nichts. Lass die Toten die Toten begraben …
Ein Bodenbrett knarrte und riss mir die Gedanken aus dem |239| Kopf, Cole zog mich plötzlich von der Treppe zurück und knallte jemandem auf der Diele einen Schuss um die Ohren. Holz krachte und ich hörte rennende Schritte, dann schoss Cole schnell noch einmal. Irgendetwas zerbrach und eine Tür schlug zu, danach wurde alles wieder still.
»Besser, wir machen weiter«, sagte Cole, während er immer noch nach unten schaute. »Ewig werden die nicht vor uns wegrennen.«
Er drehte sich um, half mir auf die Füße und sagte, ich solle die Treppe im Auge behalten, dann ging er hinüber zu dem verletzten Rocker und zog ihn von der Tür weg. Der Rocker stöhnte vor Schmerzen und fluchte wild vor sich hin, doch er war zu schwach, um sich zu wehren. Cole lehnte ihn gegen die Wand, dann drehte er sich um und zog ein Schnappmesser aus der Blutlache am Boden. Er wischte es sauber, klappte es zusammen und schob es sich in die Tasche.
»Alles klar?«, fragte er mich.
Ich sah nach unten. »Ja.«
Er winkte mich herüber. Ich durchquerte das Zimmer und stellte mich zu ihm an die Tür. Er schob mich zur Seite und wir traten beide zurück an die Wand, in Sicherheit.
»Alles in Ordnung?«, fragte er mich.
Ich sah ihn an und versuchte seine Gefühle zu entwirren. Es lagen Schatten auf seiner Seele, widergespiegelte Bilder von dem, was er vorhatte – Gesichter, Gestalten, Bewegungen, Linien, Winkel, Taten, Zeichen, Formen …
Nichts davon ergab einen Sinn für mich. Ich hatte keine Vorstellung, was er tun wollte. Aber ich wusste, es spielte keine Rolle; meine einzige Aufgabe war, ihm zu vertrauen.
|240| Ich nickte ihm zu.
Er nickte zurück, verharrte eine Sekunde, danach trat er von der Wand weg und versetzte der Tür einen Stoß. Die Luft zerbarst, die Tür brach mit einem plötzlichen dumpfen Schlag auf und dann stand Cole in dem zersplitterten Licht und wartete darauf, dass sich der Staub legte.
|241| Vierzehn
I n Coles stählernen Augen sah ich die Gesichter von Bowerman, Quentin und Red. Quentin saß hinten im Zimmer starr an einem großen Eichenschreibtisch, Red lauerte rechts von ihm in der Nische eines hohen, bogenförmigen Fensters. Und Bowerman stand in der Raummitte und hielt ein Gewehr in Coles Richtung. Er war betrunken – sein Körper schwankte und das Gewehr in seiner Hand zeichnete Kreise in die Luft. Als er sprach, klang seine Stimme unscharf und hässlich.
»Cole Ford«, sagte er, »ich verhafte Sie wegen Besitzes einer Feuerwaffe in krimineller Absicht. Sie brauchen sich nicht zu äußern … ach, scheiße. Los, gib mir die
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