The Stand. Das letze Gefecht
Eine Woge eisiger Kälte schlug ihr von diesem entsetzlichen Grinsen entgegen. Nein, sie konnte sein Gesicht nicht sehen, aber sie sah das Geschenk, das diese schreckliche Erscheinung für ihr ungeborenes Kind mitgebracht hatte: einen verbogenen Kleiderbügel. Sie floh, floh aus dem Zimmer, aus dem Traum, kam hoch und erwachte kurz...
Erwachte kurz um drei Uhr in der Dunkelheit des Salons, schlug die Augen auf, und ihr Körper trieb auf der Gischt der Angst, während der Traum zerfaserte und verwehte und ein Gefühl kommenden Unheils hinterließ, wie den ranzigen Nachgeschmack einer verdorbenen Mahlzeit. In diesem Augenblick zwischen Schlafen und Wachen dachte sie: Er, er ist es, der Wandelnde Geck, der Mann ohne Gesicht.
Dann schlief sie weiter, diesmal traumlos, und als sie am nächsten Morgen aufwachte, konnte sie sich nicht mehr an den Traum erinnern. Aber als sie an das Baby in ihrem Leib dachte, wurde sie von einem heftigen Gefühl der Fürsorge ergriffen, das so tief und so intensiv war, daß es sie verwirrte und ängstigte.
29
Am selben Abend, als Larry Underwood mit Rita Blakemoor schlief und Frannie Goldsmith allein schlief und ihren sonderbaren, geheimnisvollen Traum träumte, wartete Stuart Redman auf Eider. Er hatte schon drei Tage auf ihn gewartet - und heute abend enttäuschte Eider ihn nicht.
Am Vierundzwanzigsten gleich nach Mittag waren Eider und zwei Pfleger gekommen und hatten das Fernsehgerät abgeholt. Die Pfleger hatten es von der Wand genommen, während Eider seinen Revolver (säuberlich in eine Plastikhülle gewickelt) auf Stu gerichtet hielt. Zu der Zeit wollte und brauchte Stu das Fernsehgerät nicht mehr - es wurde ohnehin nur noch jede Menge verworrener Mist gesendet. Er konnte nur noch an seinem vergitterten Fenster sitzen und auf die Stadt und den Fluß hinuntersehen. Wie der Mann auf der Schallplatte sagte, »you don't need a weatherman to know which way the wind blows« - man braucht keinen Meteorologen, um zu wissen, woher der Wind weht.
Aus den Schornsteinen der Textilfabrik quoll kein Rauch mehr. Die fröhlichen Streifen und Flecken der Farben auf dem Fluß waren verschwunden, das Wasser floß wieder klar und sauber. Die meisten Autos, die aus der Entfernung wie, glitzerndes Spielzeug aussahen, hatten den Parkplatz der Textilfabrik verlassen und waren nicht zurückgekehrt. Gestern, am Sechsundzwanzigsten, fuhren nur noch wenige Autos auf der Mautstraße, und diese wenigen mußten wie Skiläufer bei einem Slalomrennen um die liegengebliebenen Wagen herumfahren. Kein Abschleppwagen war gekommen, um die Fahrzeuge wegzuschaffen.
Das Gebiet der Innenstadt breitete sich wie eine Reliefkarte unter ihm aus, und es wirkte völlig menschenleer. Die Turmuhr, die die Stunden seiner Gefangenschaft gezählt hatte, war seit heute morgen um neun Uhr verstummt, als die kleine Melodie, die jedem Stundenschlag vorausging, schon langgezogen und seltsam geklungen hatte, wie eine Melodie, die unter Wasser von einer absaufenden Musicbox gespielt wurde. Außerhalb der Stadt war in einem Gebäude, das aussah wie ein Cafe oder ein kleines Kaufhaus, ein Feuer ausgebrochen. Es hatte den ganzen Nachmittag wie verrückt gebrannt, schwarzer Qualm war in den blauen Himmel gestiegen, aber keine Feuerwehrfahrzeuge waren zum Löschen gekommen. Wenn das Gebäude nicht mitten auf einem asphaltierten Parkplatz gestanden hätte, vermutete Stu, dann hätte die halbe Stadt in Flammen aufgehen können. Heute abend rauchten die Trümmer immer noch, obwohl es am Nachmittag geregnet hatte. Stu nahm an, daß Eiders letzter Auftrag darin bestand, ihn zu töten. Warum auch nicht? Er wäre nur eine weitere Leiche, und er kannte ihr kleines Geheimnis. Es war ihnen nicht gelungen, ein Gegenmittel zu entwickeln oder festzustellen, welche körperliche Besonderheit ihn von allen denen unterschied, die der Krankheit erlegen waren. Der Gedanke, daß es wahrscheinlich nur noch verschwindend wenig Menschen gab, denen er ihr Geheimnis hätte mitteilen können, hatte wahrscheinlich keinen Eingang in ihre Berechnungen gefunden. Er war ein loser Faden, der von einer Bande dummer Arschlöcher als Geisel gehalten wurde.
Stu war sicher, daß dem Helden einer Fernsehserie oder eines Romans eine Fluchtmöglichkeit eingefallen wäre, sogar ein paar Leuten im wirklichen Leben, aber zu diesen Leuten gehörte er nicht. Zuletzt hatte er in einer Art panischer Resignation beschlossen, ganz einfach auf Eider zu warten, allzeit bereit., Eider war
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