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The Stand. Das letze Gefecht

The Stand. Das letze Gefecht

Titel: The Stand. Das letze Gefecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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versperrte ihm den Weg. Stu blieb rutschend stehen, ein Schrei blieb ihm im Hals stecken. Als der Mann unter das trübe Licht der flackernden Neonlampen trat, sah Stu dort, wo sein Gesicht hätte sein müssen, nur einen kalten schwarzen Schatten, eine Schwärze, aus der zwei seelenlose rote Augen hervorstarrten. Keine Seele, aber Humor. Das war es; eine Art tanzende, irre Heiterkeit.
    Der dunkle Mann streckte die Hände aus, und Stu sah, daß Blut von ihnen herabtropfte.
    »Himmel und Erde«, flüsterte der dunkle Mann aus dem leeren Loch, wo sein Gesicht hätte sein müssen. »Der ganze Himmel und die ganze Erde.«
    Dann war Stu aufgewacht.
    Jetzt winselte und knurrte Kojak leise im Flur. Er zuckte im Schlaf sogar mit den Pfoten, und Stu nahm an, daß sogar Hunde träumten. Träumen war ganz normal, auch gelegentliche Alpträume.
    Aber es dauerte lange, bis er wieder einschlafen konnte.

38
    Im Kielwasser der Supergrippe-Epidemie folgte eine zweite Epidemie, die ungefähr zwei Monate dauerte. Diese Epidemie war in technologischen Gesellschaften wie den Vereinigten Staaten weit verbreitet, weniger dagegen in unterentwickelten Ländern wie Peru oder Senegal. In den USA raffte diese zweite Epidemie etwa sechzehn Prozent der Überlebenden der Supergrippe dahin. In Peru und Senegal nicht mehr als drei Prozent. Die zweite Epidemie hatte keinen Namen, weil die Symptome von Fall zu Fall grundverschieden waren. Ein Soziologe wie Glen Bateman hätte diese zweite Epidemie vielleicht »natürlichen Tod« genannt oder »den alten Unfallaufnahme-Nachklapp«. Im streng darwinistischen Sinn war es der letzte Schnitt - der schlimmste Schnitt von allen, hätten manche vielleicht gesagt.
    Sam Tauber war fünfeinhalb Jahre alt. Seine Mutter war am 24. Juni im General Hospital von Murfreesboro, Georgia, gestorben. Am 25. starben sein Vater und seine kleine Schwester, die zwei Jahre alte April. Am 27. starb sein ältester Bruder Mike, und damit war Sam sich selbst überlassen.
    Sam war seit dem Tod seiner Mutter im Schock. Er irrte gleichgültig durch die Straßen von Murfreesboro, aß, wenn er Hunger hatte, und weinte manchmal. Nach einer Weile hörte er auf zu weinen, weil es nichts nützte zu weinen. Es brachte die Menschen nicht zurück. Nachts wurde sein Schlaf von gräßlichen Alpträumen unterbrochen, in denen Papa, April und Mike immer wieder starben; ihre Gesichter waren schwarz und aufgedunsen, und sie hatten alle ein schlimmes Rasseln in der Brust, während sie an ihrem eigenen Rotz erstickten. Am Morgen des 2. Juli um Viertel vor zehn verirrte sich Sam in ein Gebüsch mit wilden Brombeeren hinter Hattie Reynolds' Haus. Geistesabwesend und mit leeren Augen ging er im Zickzack um Brombeersträucher herum, die fast zweimal so hoch waren wie er, und pflückte Beeren und aß sie, bis Lippen und Kinn schwarz verschmiert waren. Dornen rissen an seiner Kleidung und manchmal der bloßen Haut, aber er merkte es kaum. Bienen summten träge um ihn herum. Er sah die alte und verfaulte Brunnendeckplatte nicht, die halb unter hohem Gras und Brombeerranken verborgen war. Sie gab mit einem knirschenden, splitternden Krachen unter seinen Füßen nach, Sam stürzte sechs Meter tief den gemauerten Schacht hinunter auf den trockenen Grund, wo er sich beide Arme brach. Er starb vierundzwanzig Stunden später an Angst und Elend ebenso wie an Schock, Hunger und Wassermangel.

    Irma Fayette lebte in Lodi, Kalifornien. Sie war alleinstehend, sechsundzwanzig Jahre alt, Jungfrau und von morbider Angst vor einer Vergewaltigung erfüllt. Seit dem 23. Juni, als es in der Stadt zu Plünderungen gekommen war und keine Polizei mehr da war, um den Plünderern Einhalt zu gebieten, war ihr Leben ein einziger langer Alptraum geworden. Irma besaß ein kleines Haus in einer Seitenstraße; ihre Mutter hatte mit ihr dort gewohnt, bis sie 1985 an einem Schlaganfall gestorben war. Als die Plünderungen begannen, die Schüsse und das gräßliche Grölen betrunkener Männer, die auf Motorrädern die Hauptstraße entlang fuhren, hatte Irma sämtliche Türen abgeschlossen und sich dann in der Rumpelkammer im Keller versteckt. Seither schlich sie regelmäßig nach oben, mucksmäuschenstill, um etwas zu essen zu holen oder sich zu erleichtern.
    Irma konnte die Menschen nicht ausstehen. Wenn alle auf der Welt gestorben wären, außer ihr, wäre sie darüber nicht unglücklich gewesen. Aber so war es nicht. Erst gestern, als sie schon die zaghafte Hoffnung hegte, zumindest in

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