The Stand. Das letze Gefecht
ich meinen regelmäßigen Anteil von Sex-Träumen, feuchte und trockene, aber dazwischen manchmal auch welche, in denen sich das Mädchen, mit dem ich zusammen war, in eine Kröte verwandelte, eine Schlange oder sogar in einen verwesenden Leichnam. Als ich älter wurde, hatte ich Träume vom Versagen, Träume der Erniedrigung, Träume von Selbstmord, Träume von einem gräßlichen Unfalltod. Am häufigsten war der, in dem ich langsam von einer Hebebühne zerquetscht wurde. Ich glaube, das alles sind einfache Abwandlungen des Troll-Traums. Ich bin der festen Überzeugung, daß solche Träume ein simples psychologisches Überdruckventil sind, und die Leute, die sie haben, sind mehr gesegnet als verflucht.«
»Wenn man es sich vom Hals schafft, staut es sich nicht auf.«
»Genau. Es gibt alle möglichen Traumdeutungen - die von Freud sind die berüchtigtsten -, aber ich war immer der Meinung, Träume haben eine schlichte abführende Wirkung, mehr nicht - sie sind ein Mittel der Psyche, ab und zu einmal Müll abzuladen. Und dass Menschen, die nicht träumen - oder nicht auf eine Weise träumen, an die sie sich nach dem Aufwachen erinnern können - unter einer Art geistiger Verstopfung leiden. Schließlich ist die einzige praktische Kompensation für einen Alptraum, wenn man aufwacht und erkennt, es war alles nur ein Traum.«
Stu lächelte.
»Aber in letzter Zeit habe ich einen ziemlich schlimmen Traum. Er kommt immer wieder, wie mein Traum, unter der Hebebühne zerquetscht zu werden, aber dagegen wirkt dieser wie ein Ammenmärchen. Er gleicht keinem Traum, den ich jemals gehabt habe, und doch in gewisser Weise auch wieder allen. Als wäre... als wäre er die Summe aller bösen Träume. Wenn ich aufwache, ist mir elend zumute, als wäre es gar kein Traum gewesen, sondern eine Vision. Ich weiß, wie verrückt sich das anhören muß.«
»Wie ist er?«
»Es geht um einen Mann«, sagte Bateman leise. »Jedenfalls glaube ich, daß es ein Mann ist. Er steht auf dem Dach eines hohen Gebäudes, möglicherweise auf einer Klippe. Was auch immer, es ist so hoch, daß es Hunderte Meter tiefer im Nebel verschwindet. Es ist kurz vor Sonnenuntergang, aber er sieht in die andere Richtung, nach Osten. Manchmal hat er Jeans und Jeansjacke an, aber häufiger eine Kutte mit Kapuze. Sein Gesicht kann ich nie sehen, aber seine Augen. Er hat rote Augen. Und ich habe das Gefühl, dass er nach mir sucht - und daß er mich früher oder später finden wird oder ich zu ihm gehen muß... und das wird mein Tod sein. Daher versuche ich zu schreien...« Er verstummte mit einem knappen, verlegenen Achselzucken.
»Dann wachen Sie auf?«
»Ja.« Sie sahen Kojak zu, der zurückkam; Bateman tätschelte ihn, während Kojak die Schnauze in die Aluminiumschale steckte und die letzten Kuchenkrümel herausholte.
»Nun, ich schätze, es ist nur ein Traum«, sagte Bateman. Er stand auf und verzog das Gesicht, als seine Knie knackten. »Ein Psychologe, der das Ganze analysiert, würde vielleicht sagen, der Traum drücke meine unterbewußte Angst vor einem Führer aus, der die ganze Scheiße wieder von vorne anfängt. Vielleicht eine Angst vor der Technologie allgemein. Denn ich glaube, alle neuen Gesellschaften, die sich bilden, zumindest in der westlichen Zivilisation, werden Technologie als Eckstein haben. Das ist ein Jammer, und es muß nicht sein, aber es wird sein, weil wir süchtig sind. Sie werden sich nicht an die Ecke erinnern - oder erinnern wollen -, in die wir uns selbst gedrängt haben. Die verdreckten Flüsse, das Ozonloch, die Atombombe, die Luftverschmutzung. Sie werden sich nur daran erinnern, daß sie es früher einmal ohne nennenswerte Anstrengung nachts warm haben konnten. Sie sehen, zusätzlich zu meinen anderen Unzulänglichkeiten bin ich auch noch Euddit. Aber dieser Traum... der beschäftigt mich, Stu.«
Stu sagte nichts.
»Ich mache mich jetzt auf den Heimweg«, sagte Bateman brüsk.
»Ich bin schon halb betrunken, und ich glaube, es gibt heute nachmittag Gewitter.« Er ging zum hinteren Teil der Lichtung und stöberte dort herum. Wenig später kam er mit einer Schubkarre zurück. Er drehte den Klavierhocker ganz herunter, legte ihn hinein, danach die Staffelei, die Kühlbox und zu guter Letzt sein mittelmäßiges Bild oben auf den wackeligen Stapel.
»Haben Sie das alles hierhergekarrt?« fragte Stu.
»Bis ich etwas gesehen habe, das ich malen wollte. Ich gehe jeden Tag in eine andere Richtung. Gutes Training. Wenn Sie nach
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