The Stand. Das letze Gefecht
Es war kalt und gnadenlos, und jeden Moment würde er seine grinsenden Zähne zu sehen bekommen.
Aber bevor das geschah, wachte er auf. Es war eine halbe Stunde vor Anbruch der Dämmerung, die Welt war in dichten weißen Bodennebel gehüllt, der sich verziehen würde, wenn die Sonne aufgegangen war. Das Gebäude der Motorradvertretung ragte daraus hervor wie ein seltsamer Schiffsbug, der aus Mauersteinen statt aus Holz gebaut war.
Jemand war neben ihm, und er sah, daß nicht Nadine in der Nacht zu ihm gekommen war, sondern Joe. Der Junge lag neben ihm, hatte den Daumen in den Mund gedrückt und zitterte im Schlaf, als hätte er seinen eigenen Alptraum. Larry fragte sich, ob Joes Träume so anders als die seinen waren... und er lag auf dem Rücken, starrte in den weißen Nebel und dachte darüber nach, bis die anderen eine Stunde später aufwachten.
Als sie mit dem Frühstück fertig waren, hatte sich der Nebel so weit verzogen, daß sie die Sachen auf die Motorräder packen und aufbrechen konnten. Wie Nadine gesagt hatte, zögerte Joe nicht, bei Larry mitzufahren; er stieg sogar unaufgefordert auf Larrys Motorrad.
»Langsam«, sagte Larry zum vierten Mal. »Wir werden uns nicht beeilen und einen Unfall bauen.«
»Prima«, sagte Nadine. »Ich bin so aufgeregt. Es ist wie eine heilige Suche!« Sie lächelte ihn an, aber Larry konnte das Lächeln nicht erwidern. Rita Blakemoor hatte etwas ganz Ähnliches gesagt, als sie New York City verlassen hatten. Zwei Tage vor ihrem Tod hatte sie es gesagt.
Zum Mittagessen hielten sie in Epsom, aßen gebackenen Schinken aus der Dose und tranken Orangenlimonade unter dem Baum, wo Larry eingeschlafen war und Joe mit dem Messer über ihm gestanden hatte. Larry hatte erleichtert festgestellt, daß das Motorradfahren gar nicht so schlimm war, wie er gedacht hatte; meistens kamen sie ganz gut voran, und selbst in den Ortschaften war es nur nötig, im Schrittempo über die Bürgersteige dahinzurollen. Nadine war vor unübersichtlichen Kurven außerordentlich vorsichtig, und selbst auf offener Straße drängte sie Larry nicht, schneller als die fünfunddreißig Meilen zu fahren, die er vorlegte. Wenn kein schlechtes Wetter dazwischenkam, konnten sie nach seiner Vermutung am 19. in Stovington sein.
Zum Abendessen hielten sie westlich von Concord, und Nadine sagte, sie könnten Zeit sparen, wenn sie statt der Route von Lauder und Goldsmith direkt auf der Verbindungsstraße 189 fuhren.
»Dort dürften jede Menge Staus sein«, sagte Larry zweifelnd.
»Die können wir umgehen«, sagte sie zuversichtlich, »und, wenn nötig, auf der Standspur fahren. Schlimmstenfalls müssen wir zurück zu einer Ausfahrt und auf eine Nebenstraße ausweichen.«
Sie versuchten es zwei Stunden nach dem Essen und kamen tatsächlich an eine Barrikade von einer Seite der Fahrspuren nach Norden auf die andere. Kurz hinter Warner war ein Auto mit Wohnwagen wie ein Taschenmesser zusammengeklappt; der Fahrer und seine Frau, seit Wochen tot, lagen wie Sandsäcke auf den Vordersitzen ihres Electra.
Zu dritt gelang es ihnen, die Motorräder über die geknickte Kupplung zwischen Auto und Anhänger zu heben. Danach waren sie so erschöpft, daß sie nicht mehr weiter konnten, und in dieser Nacht erwog Larry nicht, ob er zu Nadine sollte, die ihre Decke zehn Schritte von ihm ausgebreitet hatte (der Junge lag zwischen ihnen). In dieser Nacht war er so müde, daß er nur schlafen wollte.
Am nächsten Tag kamen sie an ein Hindernis, das sie nicht umgehen konnten. Ein Lastwagen war umgestürzt, und sechs Autos waren hineingerast. Glücklicherweise lag die Ausfahrt Enfield erst zwei Meilen hinter ihnen. Sie fuhren zurück, die Ausfahrt hinunter und machten müde und entmutigt im Stadtpark von Enfield zwanzig Minuten Rast.
»Was haben Sie vorher gemacht, Nadine?« fragte Larry. Er hatte an den Ausdruck in ihren Augen gedacht, als Joe endlich gesprochen hatte (der Junge hatte seinem Wortschatz mittlerweile noch >Larry, Nadine, dangefön< und >musaufsklo< hinzugefügt), und nun stellte er eine darauf beruhende Vermutung an. »Waren Sie Lehrerin?«
Sie sah ihn überrascht an. »Ja. Gut geraten.«
»Grundschule?«
»Richtig. Erst- und Zweitkläßler.«
Das erklärte ihre unerbittliche Weigerung, Joe zurückzulassen. Zumindest geistig war der Junge auf dem Stadium eines Siebenjährigen verblieben.
» Wie haben Sie es erraten?«
»Ich bin vor langer Zeit einmal mit einer Sprachtherapeutin aus Long Island ausgegangen
Weitere Kostenlose Bücher