The Stand. Das letze Gefecht
«, sagte Larry. »Ich weiß, das hört sich wie der Anfang eines typischen New-York-Witzes an, aber es stimmt. Sie arbeitete für die Ocean-View-Schule. Untere Klasse. Kinder mit Sprachproblemen, Gaumendeformierungen, Hasenscharten, Gehörlosigkeit. Sie sagte immer, daß man den Kindern nur andere Möglichkeiten zeigen muß, die richtigen Laute hervorzubringen, um ihre Sprachstörungen zu beheben. Zeigen, das Wort sagen, zeigen, das Wort sagen. Immer wieder, bis etwas im Kopf des Kindes klick machte. Und wenn sie über dieses Klick redete, sah sie aus wie Sie, als Joe >gern geschehen< gesagt hat.«
»Wirklich?« Sie lächelte ein wenig sehnsüchtig. »Ich hatte die Kleinen so gern. Manche waren störrisch, aber in diesem Alter sind sie noch nicht unwiderruflich verdorben. Die Kleinen sind die einzigen guten Menschen.«
»Reichlich romantische Vorstellung, finden Sie nicht?«
Sie zuckte die Achseln. »Kinder sind gut. Und wenn man mit ihnen arbeitet, muß man romantisch sein. Das ist nicht so schlimm. War Ihre Sprachtherapeutin nicht glücklich in ihrem Beruf?«
»Doch, hat ihr gefallen«, stimmte Larry zu. »Waren Sie verheiratet? Vorher?« Da war es wieder - dieses einfache, unscheinbare Wort. Vorher. Nur zwei Silben, aber es war allumfassend geworden.
»Verheiratet? Nein. Nicht verheiratet.« Sie sah wieder nervös aus.
»Ich bin die klassische altjüngferliche Lehrerin, jünger, als ich aussehe, aber älter, als ich mich fühle. Siebenunddreißig.« Er hatte ihr Haar betrachtet, ehe er es verhindern konnte, und sie nickte, als hätte er es laut gesagt. »Vorzeitig ergraut«, sagte sie sachlich. »Als meine Großmutter vierzig war, war ihr Haar schlohweiß. Ich vermute, ich habe mindestens fünf Jahre länger Zeit.«
»Wo haben Sie unterrichtet?«
»An einer kleinen Privatschule in Pittsfield. Sehr exklusiv. Efeuberankte Wände, das Neueste vom Neuen auf dem Spielplatz. Vergeßt die Rezession, Leute, volle Kraft voraus. Der Fuhrpark besaß zwei Thunderbirds, drei Mercedes Benz, ein paar Lincolns und einen Chrysler Imperial.«
»Sie müssen sehr gut in Ihrem Job gewesen sein.«
»Ja, ich glaube, das war ich«, sagte sie ungekünstelt, dann lächelte sie. »Ist jetzt aber nicht mehr wichtig.«
Er legte einen Arm um sie. Sie zuckte leicht zusammen, dann spürte er, wie sie sich verkrampfte. Ihre Hand und Schulter waren warm.
»Bitte nicht«, sagte sie unbehaglich.
»Möchten Sie es nicht?«
»Nein. Ich möchte es nicht.«
Er zog den Arm fassungslos zurück. Sie wollte es, das war es; er spürte ihr Verlangen in milden, aber deutlich wahrnehmbaren Wellen von ihr ausgehen. Sie hatte hektische Flecken im Gesicht und betrachtete verzweifelt ihre Hände, die wie verletzte Spinnen in ihrem Schoß zuckten. Ihre Augen glänzten, als wäre sie den Tränen nahe.
»Nadine...«
(honey, is that you?)
Sie blickte zu ihm auf, und er erkannte, daß die Gefahr, in Tränen auszubrechen, gebannt war. Sie wollte gerade etwas sagen, als Joe hinzukam, den Gitarrenkasten in einer Hand. Sie blickten ihn schuldbewußt an, als hätten sie etwas Intimeres gemacht, als nur zu reden.
»Lady«, sagte Joe im Plauderton.
»Was?« fragte Larry aufgeschreckt und begriff nicht.
»Lady!« sagte Joe noch einmal und deutete mit dem Daumen über die Schulter.
Larry und Nadine sahen einander an.
Plötzlich erklang eine vierte Stimme, schrill und emotionsgeladen und so aufrüttelnd wie die Stimme des Herrn.
»Gott sei Dank!« rief sie. »O Gott sei Dank!«
Sie standen auf und blickten der Frau entgegen, die jetzt die Straße entlang auf sie zu gerannt kam. Sie lachte und weinte gleichzeitig.
»Ich bin so froh, Sie zu sehen«, sagte sie. »So froh, Sie zu sehen, Gott sei Dank...«
Sie schwankte und wäre vielleicht zu Boden gefallen, hätte Larry sie nicht rasch ergriffen und gestützt, bis ihre Benommenheit geschwunden war. Er schätzte sie auf etwa fünfundzwanzig Jahre. Sie trug Blue Jeans und eine schlichte weiße Baumwollbluse. Ihr Gesicht war blaß, die blauen Augen unnatürlich starr; diese Augen blickten Larry so intensiv an, als wollten sie das Hirn dahinter mit aller Kraft überzeugen, daß die drei Menschen, die sie vor sich sahen, keine Halluzination, sondern aus Fleisch und Blut waren.
»Ich bin Larry Underwood«, sagte er. »Die Dame hier ist Nadine Cross. Der Junge heißt Joe. Wir sind sehr erfreut, Sie kennenzulernen.«
Die Frau sah ihn noch einen Moment wortlos an, dann trat sie langsam von ihm weg und ging zu
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