The Stand. Das letze Gefecht
Ohren. Der Nachtwind verwehte den frischen, beißenden, heißen Revolverrauch. Schießpulvergestank stach in der Nase. Die Wölfe kamen ungerührt näher, nicht schneller und nicht langsamer. Ihre Augen... der Mülleimermann konnte den Blick nicht von ihren Augen nehmen. Es waren nicht die Augen gewöhnlicher Wölfe; davon war er überzeugt. Es waren die Augen ihres Herrn, dachte er. Ihres Herrn und seines Herrn. Plötzlich fiel ihm sein Gebet wieder ein, und er hatte keine Angst mehr. Er nahm die Finger aus den Ohren. Er achtete nicht auf die Nässe, die sich in seinem Schritt ausbreitete. Er fing an zu lächeln.
Kid hatte beide Revolver leergeschossen und damit drei Wölfe niedergestreckt. Er steckte die Waffen ins Halfter, ohne auch nur einen Versuch zu machen, sie nachzuladen, und wandte sich nach Westen. Er ging etwa zehn Schritte, dann blieb er stehen. Auf den Fahrspuren nach Westen kamen ebenfalls Wölfe daher, sie schlichen zwischen den dunklen Formen der liegengebliebenen Fahrzeuge dahin wie vereinzelte Nebelschwaden. Einer hob die Schnauze himmelwärts und heulte. Ein zweiter Schrei gesellte sich dazu, ein dritter zum zweiten, schließlich ein ganzer Chor zum dritten. Dann trotteten sie weiter.
Kid wich zurück. Jetzt versuchte er, einen Revolver zu laden, aber die Kugeln fielen ihm aus den nervösen Fingern. Plötzlich gab er auf.
Die Waffe fiel ihm aus der Hand und polterte auf die Straße. Die Wölfe stürmten auf ihn zu, als wäre das ein Signal gewesen. Kid warf sich mit einem schrillen, dünnen Angstschrei herum und lief zu dem Austin. Beim Laufen fiel der zweite Revolver aus dem tiefhängenden Halfter und polterte auf die Straße. Mit tiefem, bedrohlichem Knurren sprang der erste Wolf auf ihn zu, als Kid sich eben in den Austin warf und die Tür zuschlug.
Er schaffte es gerade. Der Wolf prallte von der Tür ab, knurrte und rollte die roten Augen auf gräßliche Weise. Die anderen gesellten sich zu ihm, Augenblicke später war der Austin von Wölfen umzingelt. Kids Gesicht im Inneren war ein kleiner weißer Mond, der heraussah.
Dann kam einer der Wölfe auf den Mülleimermann zu; er hatte den dreieckigen Kopf gesenkt, die Augen glühten wie Sturmlampen.
Mein Leben für dich...
Müll ging ihm festen Schrittes und überhaupt nicht ängstlich entgegen. Er streckte die verbrannte Hand aus, und der Wolf leckte sie. Nach einem Augenblick ließ er sich zu Mülls Füßen nieder und legte den zotteligen, buschigen Schwanz um die Schnauze. Kid starrte ihn mit offenem Mund an.
Mülleimermann lächelte ihm in die Augen und zeigte ihm den Mittelfinger.
Beide Mittelfinger.
Und er schrie: »Hol dich der Teufel! Du bist fertig! Hast du verstanden? GLAUBSTE DIE HEISSESCHEISSE? FERTIG! BRAUCHSTE MIR NICHT ZU SAGEN, ICH SAG'S DIR! «
Der Wolf schloß das Maul sanft um Mülls gute Hand. Dieser sah nach unten. Der Wolf stand wieder und zog ihn sanft weiter. Zog ihn nach Westen.
»Gut«, sagte Mülleimer gelassen. »Okay, Junge.«
Er setzte sich in Marsch, und der Wolf fiel gleich hinter ihm ein und folgte ihm wie ein gut abgerichteter Hund. Als sie weitergingen, kamen fünf andere zwischen den liegengebliebenen Autos hervor und gesellten sich zu ihnen. Jetzt ging ihm ein Wolf voraus, zwei an seiner Seite, einer hinter ihm, als wäre er ein Würdenträger mit Eskorte.
Er blieb einmal stehen und sah über die Schulter. Er vergaß nie, was er sah: einen Ring Wölfe, die geduldig in einem grauen Kreis um den Austin herumsaßen, und die blasse Scheibe von Kids Gesicht, der herausstarrte und hinter dem Fenster den Mund bewegte. Die Wölfe schienen Kid anzugrinsen, die Zungen hingen ihnen aus den Mäulern. Sie schienen ihn zu fragen, wie lange es denn noch dauern würde, bis er den dunklen Mann mit einem Arschtritt aus dem ollen Lost Wages hinausbeförderte. Wie lange genau?
Der Mülleimermann fragte sich, wie lange diese Wölfe um den kleinen Austin herumsitzen und ihn mit einem Ring aus Zähnen umzingeln würden. Die Antwort lautete selbstverständlich, solange es eben erforderlich sein würde. Zwei Tage, drei, vielleicht sogar vier. Kid würde drinnen sitzen und nach draußen schauen. Nichts zu essen (es sei denn das Teenagermädchen hatte einen Passagier gehabt), nichts zu trinken, die Innentemperatur im Wagen durch den Treibhauseffekt nachmittags wahrscheinlich bis zu fünfzig Grad. Die Schoßhündchen des dunklen Mannes würden warten, bis Kid verhungerte oder wahnsinnig genug war, die Tür
Weitere Kostenlose Bücher