The Stand. Das letze Gefecht
meinst du, worum geht es?« murmelte Frannie.
Stu schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung.«
Sie gingen den Weg entlang, Frannie jetzt offensichtlich unter Schmerzen, und Ralph half Stu, sie ins Haus zu führen. Larry sah so blaß und bekümmert aus wie Glen. Er trug verblichene Jeans, ein Hemd, das aus der Hose hing und am untersten Knopfloch falsch geknöpft war, sowie teure Mokassins an den bloßen Füßen.
»Es tut mir wahnsinnig leid, daß ich euch wecken mußte«, sagte er.
»Ich bin bei ihr gesessen und ab und zu eing enickt. Wir haben Wache gehalten.«
»Ja. Ich verstehe«, sagte Frannie. Aus irgendwelchem Grund erinnerte der Ausdruck »Wache gehalten« sie an den Salon ihrer Mutter.,, und zwar in einem freundlicheren, versöhnlicheren Licht als je zuvor.
»Lucy war etwa eine Stunde im Bett. Ich bin aus meinem Dösen hochgeschreckt und - Fran, kann ich dir helfen?«
Fran schüttelte den Kopf und lächelte angestrengt. »Nein, ich komme zurecht. Mach weiter.«
»... und sie hat mich angesehen. Sie kann nur flüstern, aber man kann sie deutlich verstehen.« Larry schluckte. Alle fünf standen jetzt im Vorraum. »Sie sagte, der Herr würde sie bei Sonnenaufgang zu sich holen. Aber sie müsse erst noch mit denjenigen von uns reden, die Gott noch nicht geholt hat. Ich habe sie gefragt, was sie meinte, und sie sagte, Gott hätte Nick und Susan geholt. Sie wußte es.« Er stöhnte heiser und fuhr sich mit den Händen durch das lange Haar. Lucy erschien am Ende des Flurs. »Ich habe Kaffee gemacht. Er steht hier, wenn ihr wollt.«
»Danke, Liebes«, sagte Larry.
Lucy sah unsicher aus. »Soll ich mit euch rein? Oder ist es geheim, wie das Komitee?«
Larry sah Stu an, der leise sagte: »Komm nur mit. Ich habe so eine Ahnung, als würden keine großen Enthüllungen mehr kommen.«
Frannies wegen gingen sie langsam durch den Flur zum Schlafzimmer.
»Sie wird es uns sagen«, sagte Ralph plötzlich. »Mutter wird es uns sagen. Kein Grund zur Ungeduld.«
Sie gingen zusammen hinein, und Mutter Abagail sah sie mit ihren hellen, sterbenden Augen an.
Fran wußte um die körperliche Verfassung der alten Frau, aber es war dennoch ein häßlicher Schock. Mutter Abagail bestand nur noch aus einer trockenen Membran von Haut und Sehnen, die die Knochen zusammenhielt. Im Zimmer roch es nicht einmal nach Fäulnis und bevorstehendem Tod; vielmehr herrschte ein trockener Geruch nach Dachboden vor... nein, ein Geruch nach Salon. Die halbe Infusionsnadel ragte aus ihrem Fleisch, weil sie einfach keinen Platz hatte.
Aber die Augen hatten sich nicht verändert. Sie waren sanft und gütig und menschlich. Das war eine Erleichterung, aber dennoch empfand Fran so etwas wie Entsetzen... nicht eigentlich Angst, aber vielleicht etwas Geheiligteres - Ehrfurcht. War es Ehrfurcht? Ein Gefühl des Kommenden. Kein Verhängnis, aber es war, als hinge eine entsetzliche Verantwortung wie ein Stein über ihren Köpfen.
Der Mensch denkt, Gott lenkt.
»Setz dich, kleines Mädchen«, flüsterte Mutter Abagail. »Du hast Schmerzen.«
Larry führte sie zu einem Sessel, und Fran setzte sich mit einem dünnen, pfeifenden Seufzer der Erleichterung, obwohl sie wußte, selbst das Sitzen würde ihr nach einer Weile Schmerzen bereiten. Mutter Abagail sah sie immer noch mit diesen hellen Augen an. »Du bist schwanger«, flüsterte sie.
»Ja... wie...«
»Pssst...«
Schweigen senkte sich über den Raum, tiefes Schweigen. Fasziniert, hypnotisiert sah Fran die alte Frau an, die zuerst in ihren Träumen und dann in ihrem Leben aufgetaucht war.
»Schau aus dem Fenster, kleines Mädchen.«
Fran wandte den Kopf zum Fenster, wo Larry vor zwei Tagen gestanden und die versammelten Menschen beobachtet hatte. Sie sah keine erdrückende Dunkelheit, sondern ruhiges Licht. Es war nicht der Widerschein des Zimmers; es war das Licht des dämmernden Morgens. Sie sah das schwache, leicht verzerrte Bild eines Kinderzimmers mit karierten Vorhängen. Dort stand ein Kinderbett - aber es war leer . Dort stand ein Laufstall - leer. Ein Mobile aus hellen Plastikschmetterlingen - nur vom Wind bewegt . Grauen legte seine kalten Hände um ihr Herz. Die anderen sahen es ihrem Gesicht an, verstanden es aber nicht; sie sahen nur ein von der Straßenlaterne erhelltes Stück Rasen durch das Fenster.
»Wo ist das Baby?« fragte Fran heiser.
»Stuart ist nicht der Vater des Babys, kleines Mädchen. Aber sein Leben liegt in Stuarts und in Gottes Händen. Der Junge wird
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