The Vampire Diaries - Stefan's Diaries - Fluch der Finsternis: Band 6 (German Edition)
schließlich und wollte mich gerade töten, als Stefan eingegriffen hat.«
» Okay.« Gus richtete seine Aufmerksamkeit auf mich. » Also, gesetzt den Fall, wir lassen uns einige Zauber einfallen, um Samuel zu besiegen und Ihnen zu helfen, Ihren Bruder zu retten. Was ist für uns drin? Warum sollten wir unser Leben für Sie aufs Spiel setzen?«
» Ich könnte euch von hier wegbringen«, erklärte ich zuversichtlich. » In eine bessere Unterkunft.«
» So, könntest du das, Vampir?« Die Tür fiel krachend ins Schloss, als ein Mädchen das Zimmer betrat. Sie trat entschlossen auf mich zu und presste mir ihren Zeigefinger auf die Brust. Ihr Gesicht war so knochig wie das eines Vogels, und ihr spülwasserblondes Haar erinnerte mich an Stroh. Sie war nicht hübsch, aber sie hatte schöne große graue Augen, die hin und her zuckten wie bei einem Wolf, der seine Beute witterte. Es bestand kein Zweifel, dass Jemima die unangefochtene Anführerin dieser kleinen Gruppe war. Ich wusste, dass sie nichts weiter wollte, als die anderen zu beschützen, aber ihr misstrauischer Blick gefiel mir trotzdem nicht.
Unter der Berührung ihres Fingers begann meine Haut zu brennen. Unbehaglich trat ich von einem Fuß auf den anderen. Was tat sie da?
» Ich bin Stefan«, stellte ich mich schließlich vor, » und das ist Cora. Wir sind Freunde von Mary Jane. Ich habe ihr gestern Nacht das Leben gerettet.«
» Schon gehört. Das Haus ist ja nicht gerade groß. Ich weiß, wer Sie sind. Aber wie genau wollen Sie uns hier herausbringen? Werden Sie lügen? Einen Bann einsetzen? Eine Familie töten und dann einfach ihr Zuhause stehlen?«
» Jemima, hör auf damit!«, unterbrach Mary Jane sie scharf. » Wir schulden ihm etwas.«
» Ich schulde ihm gar nichts«, widersprach Jemima und hielt ihren Blick fest auf mich gerichtet. » Mary Jane, ich weiß, dass du fast umgebracht worden bist und er dich gerettet hat. Aber woher willst du wissen, welche Absichten er wirklich hegt? Du weißt, dass Vampire keine schlagenden Herzen haben, geschweige denn Seelen. Und genau das ist der Grund, warum …« Sie brach ab. » Das ist der Grund, warum ich ihm einige Fragen stellen muss. Um ihn dazu zu bringen, seine wahren Absichten zu enthüllen«, fügte sie kryptisch hinzu.
» Nur zu. Ich habe keine Geheimnisse«, sagte ich und musste an meinen Vater denken, der unseren Besitz in Virginia Veritas genannt hatte – lateinisch für Wahrheit –, weil er der eisernen Überzeugung gewesen war, dass das Streben nach Wahrheit das Wichtigste im Leben eines Mannes sei.
» Wie viele Menschen haben Sie getötet?«, fragte Jemima und senkte die Stimme zu einem Flüstern.
Ich schaute mich im Raum um und wusste, dass meine Antwort niemandem gefallen würde. Selbst Cora sah mich fragend und mit einem harten Ausdruck in den Augen an. Umringt von weiteren fünf glitzernden Augenpaaren fühlte ich mich, als könnten die Hexen in meinen Geist spähen und wüssten, was ich dachte, noch bevor ich es aussprach. Ich musste die Wahrheit sagen. Aber ich war mir nicht sicher, ob ich sie überhaupt kannte.
Ich rief mir die Erinnerungen aus Mystic Falls und New Orleans ins Gedächtnis, als blättere ich in den Seiten eines Buches. Ich wusste noch jede schmerzhafte Einzelheit meines ersten Mordes – das Opfer war mein Vater gewesen. Ich erinnerte mich an das bittere, rauchige Blut von Clementine Haverford, an das frisch duftende Blut meines Opfers im Zug nach New Orleans, ebenso wie an die gesichtslosen Menschen, die einfach zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen waren …
» Sie können sich nicht einmal erinnern, nicht wahr?«, fragte Jemima angewidert. » Seht ihr, ihre Zerstörungskraft kennt keine Grenzen.«
» Ich habe getötet, das ist wahr. Viel zu viel getötet. Ich wünschte, es wäre anders. Aber schon seit langer Zeit ernähre ich mich nicht mehr von Menschen.« Ich wählte meine Worte mit Bedacht.
Jemimas harte graue Augen wurden eine Spur weicher. » Das ist zumindest die Wahrheit.«
» Das ist alles, was ich sagen kann«, erwiderte ich. » Ich kann die Vergangenheit nicht ändern. Aber ich will die Zukunft ändern. Und ich will nicht, dass Samuel meinen Bruder tötet.«
» So sehen Sie das also?«, fragte Jemima und drehte sich zu den Hexen um wie ein Anwalt zu den Geschworenen. » Weil Sie Mary Janes Leben gerettet haben, sind wir es Ihnen schuldig, das Leben Ihres Bruders zu retten?«
» Wenn Sie es unbedingt so ausdrücken wollen –
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