The Vampire Diaries - Stefan's Diaries - Fluch der Finsternis: Band 6 (German Edition)
anrichtete. In ihrer Vorstellung war ich ein Held. Sie kannte mich nicht als das Ungeheuer, das nie, niemals genug bekommen konnte.
» Nur zu, Bruder«, forderte Damon mich mit den gleichen Worten auf, die er schon in unseren Kindertagen gebraucht hatte, um mich beim ersten warmen Sonnenstrahl des Jahres dazu herauszufordern, von der Wickery Bridge zu springen.
Ich hatte keine Wahl. Langsam zog ich Lady Alice’ Handgelenk an meine Lippen. Meine Reißzähne durchbohrten ihre Haut und sofort strömte mir der würzige, süße Duft von Blut in die Nase. Ich stieß die Reißzähne in ihre winzigen blauen Adern und hätte beinahe das Gleichgewicht verloren, als mich eine Welle der Ekstase erfasste, die ich seit zwanzig Jahren nicht mehr verspürt hatte. Ich ließ das Blut durch meine Kehle rinnen und fühlte, wie es all den Schmerz und all die Furcht auslöschte, die ich in mir trug. Es wogte durch meinen Körper und gab mir das Gefühl, stark und sicher und lebendig zu sein. Das hier war besser als das Blut in New Orleans, besser als die Ozeane von Blut, die ich während meiner mörderischen Exzesse als junger Vampir getrunken hatte.
Besser als das Blut meines Vaters.
Ich wollte mehr. So viel wie möglich. Genug, um meine Adern und mein Herz zu füllen. Ein Knurren drang über meine Lippen.
» Vampir!«, rief Lavinia scharf.
Ich zog mich zurück und wischte mir den Mund ab. Alle Augen ruhten auf mir.
» Es tut mir leid, wenn ich mich habe mitreißen lassen«, erklärte ich steif.
» Du hast genau das getan, worum ich gebeten habe«, sagte Lady Alice, aber ihr Gesicht war bleich. » Damon?«
Sie streckte das Handgelenk aus, und ich beobachtete, wie Damon behutsam einen kleinen Schluck nahm, als koste er einen feinen Champagner. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass er sich absichtlich so formvollendet wie möglich benahm, um seinem kleinen bluthungrigen Bruder zu zeigen, wie man richtig trank. Ich dagegen hatte einen Teil meiner wahren Natur entblößt. Ich war zu gierig, zu beharrlich gewesen, und ich hatte mein zorniges, kehliges Knurren ebenso deutlich gehört wie alle anderen auch.
Als Damon fertig war, wischte Lady Alice das restliche Blut mit der Innenseite ihres Ärmels weg. » Also, Damon und Stefan, kommt und gesellt euch zu unserem Kreis.« Sie streckte die Hände aus. Doch statt neben sie zu treten, stellte ich mich zwischen Damon und Lavinia. Es schien mir sicherer, denn jetzt, da der Geschmack von Lady Alice’ Blut auf meiner Zunge war, konnte ich an nichts anderes mehr denken.
Lady Alice begann zu singen, und nach und nach stimmten die anderen Hexen ein, während sich alle an den Händen fassten. Ich ließ meine Zunge über meine Zähne gleiten; der zarte Belag, den das Blut hinterlassen hatte, fühlte sich gleichzeitig wie ein Segen und wie ein Fluch an. Die Flammen des Feuers wurden kleiner und der Raum versank im Halbdunkel.
» Vinculum«, sprach Lady Alice. Der Rest der Hexen wiederholte das Wort.
Vinculum, murmelte ich leise. Ich hoffte, dass der Zauber funktionierte. Er musste funktionieren. Lavinia ließ meine Hand los. Der Raum erhellte sich wieder.
» Es ist vollbracht. Wir sind aneinander gebunden«, erklärte Lady Alice.
» Gut. Dann lasst uns jetzt die nächsten Schritte diskutieren«, drängte ich und warf Damon einen vielsagenden Blick zu, als er sich auf die Bank neben die blonde Hexe setzte. » Wir müssen Samuel in eine Falle locken, und das wird uns wohl am besten gelingen, wenn wir Mary Jane als Köder benutzen«, schlug ich vor.
» Und wie willst du das anstellen, Stefan?«, fragte Lavinia. Immerhin wurde Damon und mir infolge des Bindezaubers nun auch von Seiten der anderen Hexen eine vertrautere Anrede zuteil.
» Wir könnten es darauf anlegen, dass Samuel Mary Jane im East End entdeckt, und ihn dann angreifen«, erklärte ich.
» Nein, nein, nein!«, protestierte Lavinia prompt. » Wir können den Kampf unmöglich dort stattfinden lassen, wo Menschen sind. Es muss an einem abgeschiedenen Ort geschehen.«
» Mein Haus«, sagte Mary Jane leise, » wäre der perfekte Ort. Wir haben es mit einem Zauber belegt, der die Mieteintreiber fernhält. Die Menschen scheinen es nicht einmal zu bemerken, selbst wenn sie direkt davor stehen.«
» Gute Idee«, lobte Lavinia anerkennend.
» Ich habe überlegt, dass auch einer von uns den Köder spielen könnte«, schlug ich vor.
» Zu gefährlich.« Lavinia schüttelte den Kopf. » Du weißt doch, Vampire sind gerissen. Er wird
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