The Vampire Diaries - Stefan's Diaries - Schatten des Schicksals: Band 5 (German Edition)
Schulter.
Ich war wieder in Mystic Falls, tief im Wald, wo wir uns als Jugendliche immer herumgetrieben hatten, wenn wir irgendetwas im Schilde führten. Wir hatten unsere Pferde an einen Baum gebunden und waren die ganze Nacht über dortgeblieben, hatten Whiskey getrunken, Karten gespielt und über Mädchen geredet. In dem herbstlichen Wald war es neblig und kühl, ich war fünfzehn und wollte ein Mann sein.
Mit dabei waren die Gebrüder Giffin, Matthew Hartnett, Nathan Layman und Damon. Obwohl er älter als wir anderen war und schon in die Schenke gehen durfte, kam Damon in letzter Zeit lieber zu den Treffen im Wald.
» Lehrmeister sind nicht zugelassen! Stefan muss allein spielen, sonst mach ich nicht mehr mit«, rief Ethan Giffin, sprang auf und trank einen kräftigen Schluck aus seiner Flasche. Mit seinem runden Gesicht erinnerte Ethan mich an ein überfüttertes Kleinkind.
» Ich bin nicht sein Lehrmeister. Ich gebe nur einen brüderlichen Rat. Hast du ein Problem damit?«, fragte Damon herausfordernd.
» Na schön«, lenkte Ethan ein und setzte sich wieder auf den Baumstamm. Sein Bruder Calvin funkelte uns wütend an.
» Außerdem braucht Stefan meinen Rat nicht. Er ist klüger als ich«, erklärte Damon und blickte wieder in seine eigenen Karten. Vor uns lagen einige zerknitterte Geldscheine auf einem Haufen, zusammen mit einer Gürtelschnalle, einem Feuerzeug und Clementine Haverfords Taschentuch. ( » Direkt von ihrem Busen!«, hatte Ethan Giffin uns kichernd versichert.) Die Spieler konnten alles gewinnen– oder alles verlieren.
» Ich setze alles«, sagte ich und warf einen Fünfdollarschein auf den Haufen. Es war mein eigenes kleines Vermögen.
Einer nach dem anderen deckte seine Karten auf. Mein Herz hämmerte immer heftiger. Mein Blatt war besser als die beiden Buben, die Calvin präsentierte, und besser als Nathans drei Königinnen. Schließlich zeigte ich mein eigenes Blatt– ein Herz-Flush.
Ich sammelte meine Beute ein und strahlte Damon siegesgewiss an.
» Aufstehen!« Eine Stimme riss mich aus dem Schlaf. Orientierungslos blinzelte ich in die Dunkelheit– und erkannte Damon, der sich nach seinem Ausbruch anscheinend wieder beruhigt hatte. Nachdem er mir im Traum erschienen war, überraschte mich sein realer Anblick. Er war dem Bruder meiner Jugend äußerlich so ähnlich und hatte sich doch in seinem Innern so tiefgreifend verändert. Damals war alles so einfach gewesen. Wir hatten gewusst, dass wir einander ergänzten, und bewunderten gegenseitig unsere Stärken. Er war selbstbewusst und tollkühn gewesen, ich klug und vorsichtig. Jetzt betrachteten wir einander voller Argwohn.
Der Schatten eines Barts verdunkelte sein Gesicht. Er passte zu der bedrohlichen Aura, die Damon umgab.
Als Cora erschien, blinzelte ich erneut und musste zweimal hinschauen. Sie hatte sich gründlich auf den heutigen Tag vorbereitet. Sie trug wieder ihr zerlumptes, schmutziges Kleid, ihr Haar war zerzaust, und sie hatte sich etwas Dreck auf die Wangen und die Stirn gerieben. Sie sah genauso aus wie das gefallene Mädchen, das sie darstellen sollte.
» Voller Einsatz«, murmelte ich.
» Voller Einsatz?« Damon sah mich verwundert an, aber ich gab keine Erklärung ab, und er bohrte nicht nach. Ich wollte nicht, dass er meine schöne Erinnerung an den Traum ruinierte.
Sobald wir wieder im Freien waren, marschierten wir über die Brücke und dann Richtung Osten. Cora zufolge lag das Magdalenenheim am Rande von Whitechapel, dem Schauplatz von Samuels Rippermorden. Würde irgendjemand Damon erkennen? Er trug seinen Mantel mit der Kapuze, die er sich tief in die Stirn gezogen hatte. In Kombination mit dem Bart wirkte er dadurch völlig anders als jener ebenso verwegene wie charmante Verdächtige, den die Zeitungen beschrieben hatten. Ich entspannte mich etwas.
Schließlich erreichten wir einen heruntergekommenen Backsteinbau am Ende einer Gasse, der von einem Eisenzaun umgeben war. Die massive schwarze Doppeltür des Eingangs wirkte unheilvoll. Das Ganze sah weniger nach einem Zufluchtsort als nach einem Gefängnis aus. Ich warf Cora einen besorgten Blick zu, aber sie starrte entschlossen geradeaus.
» Zumindest werden Sie ein Dach über dem Kopf haben. Das ist jedenfalls schon mal mehr, als wir haben«, brach Damon das Schweigen.
Ich warf ihm einen verärgerten Blick zu, aber Cora begann nervös zu kichern. » Es ist schrecklich, nicht wahr?«, fragte sie. » Aber wenn ich zwischen diesem Ort hier und dem
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