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The Walk: Durch eine zerstörte Stadt (German Edition)

The Walk: Durch eine zerstörte Stadt (German Edition)

Titel: The Walk: Durch eine zerstörte Stadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Goldberg
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Geschichten über Leute, die ertrunken waren bei dem Versuch, jemanden zu retten, der im Eis eingebrochen oder von einer heftigen Strömung unter Wasser gezogen worden war. Statt dass eine einzige unglückselige Person starb, opferten noch dazu drei oder vier Möchtegern-Retter unweigerlich ihr Leben.
    Diese Geschichten, vergraben in der hintersten Ecke der letzten Seiten, empfand Marty immer als traurig, tragisch und dumm. Er gefiel sich bei dem Gedanken, dass er, käme er in eine solche Situation, sich für sein Überleben zu entscheiden verstünde statt für blindes Heldentum, egal wie quälend diese Entscheidung auch sein möge.
    Doch er war noch nie in einer solchen Situation gewesen.
    Er hatte auch noch nie mit einer Pistole auf der Brust eine Entscheidung treffen müssen.
    Es änderte die Sachlage.
    »Nimm die Knarre weg«, sagte Marty.
    Buck hielt weiter drauf.
    »Nimm die Scheißknarre weg!«, brüllte Marty. »Ich kann so nicht nachdenken.«
    »Es gibt nichts nachzudenken.«
    »Hast du einen Schimmer, wie du das Kind da rausbekommen willst, ohne den Wagen über die Kante kippen zu lassen? Hast du, du verdammter Psychopath?« Marty starrte ihn und den ausdruckslosen Blick in seinem Gesicht an. »Wahrscheinlich nicht.«
    Buck steckte die Waffe ins Holster. »Du hast ein Stück Seil in deiner Tasche. Wir lassen dich runter.«
    »Erstens ist dieses Seil dafür gedacht, ein Bündel Kabel zusammenzuschnüren, es ist nicht stark genug, um einen Mann zu halten«, sagte Marty. »Und zweitens, warum bin ich der Glückliche?«
    »Weil du der Leichteste von uns dreien bist«, sagte Buck. »Und selbst wenn nicht, du hast ’ne Kugel im Arm.«
    »Du hast gesagt, es war ein Streifschuss.«
    »Hör auf, so ein Weichei zu sein«, sagte Buck.
    Marty blickte wieder zu dem schwankenden Auto, dann auf den Asphalt und den darauf verspritzten Körper. Seine Augen wanderten von der Leiche zu dem versifften Deckenstapel, und er erinnerte sich an etwas, das er eines Nachts auf Cinemax gesehen hatte, einen dieser Frauen-im-Gefängnis-Softpornos. Die vollbusigen, sexuell unternehmungslustigen Sträflinge flüchteten mithilfe von Bettlaken. Es war kein besonders sicheres Gefängnis und die Wachen waren nicht allzu helle, aber die Mädchen waren ziemlich einfallsreich und ihr Vorgehen einwandfrei.
    Marty hielt seine blutende Schulter umklammert und stand auf. »Ich habe eine Idee. Du wirst noch ein paar Leute finden müssen, die mit anpacken.«
    13:30 Uhr. Dienstag.
    Der Gestank der mit Urin gestärkten Decken, die er sich um die Brust gebunden und unter die Achseln geklemmt hatte, war überwältigend. Wenn Marty nicht abstürzte, würde der Geruch ihn umbringen.
    Die Decken des Penners waren an den Enden zusammengeknotet und fest mit Martys Seil umwickelt. Die Vorrichtung schleifte einige Meter hinter ihm über den Boden bis zu der Stelle, wo Buck, Enrique und ein halbes Dutzend weiterer Überlebender das andere Ende festhielten, als würden sie sich zum Tauziehen aufstellen.
    Marty stand am Rande des Abgrunds, neben dem Toyota, und sammelte seinen ganzen Mut zusammen. Die Zecken, Flöhe und Läuse waren wahrscheinlich schlau genug, die Decken spätestens jetzt zu verlassen. Sinnlos, wegen diesem Idioten einen Absturz zu riskieren, der Eingesperrte Partyschlampen mit einem Unterrichtsvideo über innerstädtische Rettungsaktionen verwechselte.
    »Wir sind so weit«, rief Buck.
    »Ich nicht«, murmelte Marty, während er sich die eng anliegenden, ledernen Arbeitshandschuhe über die Hände streifte.
    Das Auto hing an einem einzigen Hinterrad und wurde lediglich durch ein paar Stücke verbogenen Bewehrungsstahls an Ort und Stelle gehalten. Er konnte das Kind nicht sehen – das Auto war zu weit nach vorne gekippt –, aber er konnte es vor Angst wimmern hören.
    Marty hatte keine Ahnung, was er tun sollte, außer nicht nach unten zu schauen. Er drehte sich zu den Männern um, die das Seil festhielten, Fremde, die er vor einer Stunde noch nicht gekannt hatte und die er auch jetzt nicht kannte. Er vertraute ihnen und einem behelfsmäßigen Seil aus einem Dutzend dreckiger Decken sein Leben an.
    »Seid ihr sicher, dass ihr mich halten könnt?«, fragte Marty.
    »Noch zwei Sekunden und ich schubse dich«, sagte Buck. »Hör auf, Zeit zu schinden. Das Auto hält nicht mehr lange.«
    Marty atmete tief durch und bewegte sich bis ganz an die Kante. Es war ein tiefer Abgrund. Wenn er abstürzte, waren seine Überlebenschancen gleich

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