The Walk: Durch eine zerstörte Stadt (German Edition)
Flammen standen, selbst von hier aus konnte er den Rauch sehen. Aber er würde den Pass in jedem Fall nehmen, denn die Alternative – zwanzig oder dreißig zusätzliche Meilen weiter nach Westen zu marschieren und sich dann langsam von der Küste aus ins Tal voranzutasten – war undenkbar. Bei seiner momentanen Verfassung würde das Tage dauern, und niemand konnte voraussagen, welche Gefahren dort auf ihn warteten – Schlammlawinen, Waldbrände, verwirrte Berglöwen, Heuschreckenschwärme.
Die Heuschrecken schienen ihm etwas weit hergeholt, doch andererseits hätte Marty sich auch niemals vorstellen können, mitten in Hollywood in eine riesige Flutwelle zu geraten.
Er rechnete sich jedenfalls aus, dass der Sepulveda-Pass kein allzu großes Risiko darstellen sollte. Er hatte vor, mitten auf dem San Diego Freeway geradewegs hinaufzugehen. Seine zehn asphaltierten Fahrspuren plus die beiden Fahrbahnen des Sepulveda Boulevards würden einen hübschen, breiten Feuerschutz abgeben.
Marty atmete tief durch, stand auf und nahm seinen Marsch wieder auf. Um sich von den Schmerzen abzulenken und um sich die Zeit zu vertreiben, sang er Titelmelodien aus dem Fernsehen vor sich hin, angefangen bei Sendungen aus den Fünfzigern und von da an immer weiter.
Er fing an mit Have Gun – Will Travel und war eine halbe Stunde später schon bei Green Acres angekommen, als er sich in der Nähe der verschnörkelten Tore von Bel Air einem Typen näherte, der neben einer Reklametafel mit der Aufschrift »Reiseführer zu den Häusern der Stars (Nur fünf Dollar!)« auf einem Gartenstuhl saß. Die »fünf« war weggekratzt und durch eine hastig hingekritzelte »zwei« ersetzt worden. Der Mann blätterte durch seine Karten, breitete sie auf seinem Schoß aus und strich mit einem dicken Filzstift Häuser durch.
»Na, laufen die Geschäfte gut?«, fragte Marty.
»Geht so«, sagte der Mann, in seine Arbeit vertieft. »Hauptsächlich Nachrichtenteams.«
Machte Sinn. Es war den Amerikanern herzlich egal, ob Los Angeles dem Erdboden gleichgemacht wurde, dachte Marty, aber Gott bewahre Jay Lenos Garage, Brad Pitts Dachterrasse und Meg Ryans Tennisplätze.
»Woher wissen Sie, welche Häuser zerstört sind?«, fragte Marty.
»Ich hab so meine Quellen«, sagte er geheimnisvoll und machte sich daran, eine andere Karte zu markieren.
Marty zog wieder los und nahm den Faden dort auf, wo er aufgehört hatte: in den Sechzigern bei Branded . Er war mit Good Times gerade mitten in den Siebzigern, als er die nördlichen Ausläufer der UCLA passierte. Die Joggingstrecke war wie die meisten offenen Flächen, die er seit dem Beben gesehen hatte, vollgestopft mit Menschen in behelfsmäßigen Schutzhütten und Zelten. Hinter ihnen, in westlicher Richtung, lagen die Trümmer der Schlafsäle quer über die Tribüne verteilt wie eingestürzte Stapel von Legosteinen.
Sein erstes Zuhause in L. A. war futsch. Kann von der Das-Leben-des-Marty-Slack-Tour gestrichen werden.
Obwohl es möglicherweise Essen und Wasser auf dem Campus gab, beschloss er, hier nicht anzuhalten, aus Angst, nicht wieder wegzukommen. Er ging weiter und erreichte den San Diego Freeway zur gleichen Zeit wie die Achtziger mit Gimme a Break! .
Der Freeway zog sich durch die Hügel hinauf einer Rauchwolke entgegen, die ein paar Meilen weiter nördlich die Sonne verdunkelte. Die zehnspurige Straße war mit Rissen, Wellen und Kratern durchzogen und mit übel zugerichteten und umgekippten Autowracks verstopft. Der einzige Verkehr wurde von einer kleinen Handvoll lebender Toter bestritten, die entweder auf dem Weg ins oder aus dem Tal heraus waren. Erstaunlicherweise blieben die Leute, die nach Süden unterwegs waren, auf den südwärts führenden Spuren auf der linken Seite, während diejenigen, die nach Norden gingen, sich an die rechte Seite hielten, als ob diese Regeln jetzt noch eine Rolle spielten.
Marty nahm an, dass sie sich aus demselben Grund instinktiv an diese Gewohnheit hielten, wie er TV-Titelmelodien sang. Es erdete sie, erlaubte ihnen, wie Zombies einem vorherbestimmten Kurs zu folgen und zu vergessen, was sie gesehen hatten. Also machte er sich auf den Weg nach Norden in den Pass und blieb brav auf der rechten Seite, wobei er mit aller Leidenschaft, die er aufbringen konnte, The Greatest American Hero schmetterte.
15:25 Uhr. Mittwoch.
Nach der Ausfahrt zum Getty Center schienen die Hügel zu beiden Seiten des Freeway nur noch von den Flammen bewohnt zu sein, die über weite
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