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The Walk: Durch eine zerstörte Stadt (German Edition)

The Walk: Durch eine zerstörte Stadt (German Edition)

Titel: The Walk: Durch eine zerstörte Stadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Goldberg
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herabregneten.
    Er hob langsam den Kopf, damit er seinen Körper sehen konnte, im vollen Bewusstsein, dass das ein Fehler sein könnte, dass er damit den Haarriss in seinem Nacken vergrößern könnte und für den Rest seines Lebens gelähmt wäre, doch er konnte es sich nicht verkneifen. Marty musste wissen, was seine Schmerzen verursachte.
    Sein Genick brach nicht, doch was er sah, ließ ihn vor Schreck nach Luft ringen. Knapp zehn Zentimeter eines blutigen Eisenstabes ragten aus seiner rechten Seite heraus. Die warme Nässe, die er spürte, war nicht Wasser, sondern Blut. Er war auf einem Stück Stahl aufgespießt, das aus dem eingeknickten Stützpfeiler herausstand.
    Wenn das stimmte, warum spürte er dann nicht die harte, schartige Struktur des Mörtels unter seinem Rücken? Er lag auf irgendetwas Weichem und Nachgiebigem.
    Marty blickte über seine rechte Schulter. Das Blut, in dem er badete, war nur zum Teil sein eigenes. Er steckte auf dem oberen Ende eines Schaschlikspießes, die Eisenstange hatte Marty gepfählt, und unter ihm mehrere andere Menschen, die seinen Sturz abgefedert hatten. Es tat ihm leid, dass sie tot waren, doch gleichzeitig wusste er, wären sie nicht gestorben, wäre jeder Knochen in seinem Leib gebrochen. Er durfte jetzt nicht an sie denken oder daran, dass es ihre Eingeweide waren, die an seinem Rücken klebten.
    Er blickte nach links und entdeckte einen zerbeulten Buick Regal, nur wenige Zentimeter von ihm entfernt. Ihm wurde klar, dass es noch viel, viel schlimmer hätte kommen können. Er hätte auch unter diesem Auto landen können.
    »Hilfe!«, schrie er, und im selben Moment brach eine grelle Welle aus Schmerz über ihn herein, ging durch Mark und Bein und ließ ihn beinahe das Bewusstsein verlieren.
    Niemand wird kommen, um dir zu helfen. Da draußen sind Familien unter Häusern begraben. Ganze Viertel in Flammen. Wer schert sich schon um irgend so einen Typen, der aufgespießt im L. A. River hängt?
    Er schaute sich wieder zu beiden Seiten um, und dann horchte er. Das einzige Stöhnen, das er hörte, war sein eigenes. Er war alleine. Sein Marsch war vorbei, und sein Leben wahrscheinlich auch.
    Marty schloss die Augen. Das war fast schon lächerlich. Er hatte so vieles überlebt, nur um dann wenige kurze Meilen von zu Hause entfernt dran glauben zu müssen. Und alles nur, weil er von seiner Route abgewichen war, um ein kleines Mädchen zu finden, das er nicht einmal kannte.
    Und Beth würde niemals erfahren, warum er sterben musste. Sie würde sich immer wieder fragen, wie er nur aufgespießt in diesem Flussbett enden konnte, so kurz vor dem Ziel, mit einem Schnappschuss in seiner Tasche, der zwei Fremde zeigte. Wenn er doch nur einen Stift hätte, damit er alles aufschreiben und es Beth mitteilen könnte, damit sich die Geschichte aufklärte. Doch diese Geschichte würde unvollendet bleiben, genauso wie jede andere, die er jemals zu erzählen versucht hatte. Darin lag eine gewisse ironische Gerechtigkeit.
    Ein Stein fiel mit einem hellen Geräusch in das Auto direkt über seinem Kopf, was ihn so aufschreckte, dass er die Augen öffnete. War das nur noch mehr loser Schotter oder war der Rest der Brücke gerade im Begriff, über ihm zusammenzubrechen? Er starrte auf den aufgerissenen Asphalt und suggerierte ihm, sich nicht vom Fleck zu bewegen.
    Ein weiterer Stein traf das Auto, wieder in der Nähe seines Kopfs, doch er war sich sicher, dass er nicht von oben kam, denn er beobachtete, was über ihm passierte. Dieser Stein kam aus einem anderen Winkel. Jemand hatte ihn geworfen.
    »Hey Marty«, rief eine Stimme, »wach verdammt noch mal endlich auf.«
    Er drehte den Kopf, blickte nach rechts oben und sah eine Gestalt am Rande der hohen, senkrechten Uferböschung stehen.
    Das war unmöglich.
    Marty blinzelte heftig und kniff die Augen zusammen. Eine optische Täuschung.
    »Ich wusste, dass du lebst«, rief Buck erfreut. »Du bist der größte Glückspilz, dem ich je begegnet bin. Na, was ist, willst du den ganzen Tag da rumhängen und in Selbstmitleid baden, oder hast du vor aufzustehen?«
    Das war einer dieser äußerst unwahrscheinlichen, aber ebenso praktischen Zufälle, über die er sich immer so aufregte, wenn sie ihm in einem Drehbuch unterkamen, ein untrügliches Qualitätsmerkmal für eine schwache Handlung und schlampige Lohnschreiberei. Und doch stand da Buck Weaver, wie ein Westernheld, die Sonne im Rücken, und warf seinen langen Schatten quer über den betonierten

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