The Walk: Durch eine zerstörte Stadt (German Edition)
er dann tun? Wie lange und in welchem Radius würde er suchen, bevor er nach Hause gehen würde?
Er hatte keine Gelegenheit mehr, diese Fragen zu beantworten, denn er wurde schlagartig von zwei Dingen abgelenkt. Zunächst war da der Los Angeles River, den er sowohl zu seiner Linken als auch zu seiner Rechten sehen konnte, was bedeutete, dass er sich über dem Fluss befand und die Straße, auf der er stand, in Wirklichkeit eine Brücke war. Er war so in seine Gedanken vertieft gewesen, dass er nicht einmal bemerkt hatte, dass er auf einer Brücke ging. Doch er dachte über die Alternative nach. Die Ufer des Flusses bestanden aus nahezu senkrechten Betonplatten. Wenn er nicht eine der Straßen nahm, die ihn überquerten, hätte er den ganzen Weg zum Balboa Park in der Nähe des Sepulveda-Damms zurückgehen, durch das trockene Flussbett klettern und dann wieder in diese Richtung zurückgehen müssen. Er hätte wahrscheinlich sowieso diese Route hier gewählt.
Das war es, was ihm durch den Kopf ging und was er sich selbst in dem Sekundenbruchteil zwischen der ersten Erkenntnis und der zweiten weismachen wollte, die die erste umso erschreckender machte:
das Nachbeben.
Die Überführung brach in der Mitte auseinander, und die beiden Enden wurden zu riesigen Zementrutschen. Marty rollte, gemeinsam mit einem Dutzend anderer Leute, zwei Autos und einem Motorrad, hinunter, dem Flussbett aus Beton entgegen.
KAPITEL VIERZEHN
So grün war mein Tal
Das Tal?« Marty konnte einfach nicht nachvollziehen, was in Beth vorging. Sie hätte genauso gut vorschlagen können, nach Fresno zu ziehen. »Warum solltest du da hinziehen wollen?«
»Weil man da für das gleiche Geld ein doppelt so großes Haus kriegt«, antwortete Beth.
»Genau, weil niemand dort leben will.«
»Michael Jackson wohnt in Encino.«
»Womit alles gesagt wäre.«
Sie hatten ein Haus in Westwood gemietet, zwei Häuserblocks südlich des Wilshire Boulevards, für 2200 Dollar im Monat. Das Viertel war nicht mehr so prestigeträchtig wie früher, aber wenn Marty mit dem Hund Gassi ging, traf er immer noch Nebendarsteller, aufstrebende Regisseure und drittklassige Drehbuchautoren, und das war angenehm.
»Marty, für den Kaufpreis einer alten Bruchbude mit zwei Schlafzimmern in Santa Monica kriegen wir im Tal eine neue Villa im mediterranen Stil mit vier Schlafzimmern, einem Pool und einem riesigen Garten in einer bewachten Wohnanlage«, sagte sie. »Und das Beste daran: Wir müssten unsere Kinder nicht auf eine Privatschule schicken.«
»Wir haben keine Kinder.«
»Werden wir aber«, sagte sie. »Und das sollten die Kriterien sein, nach denen wir aussuchen, wo wir wohnen wollen, und nicht die Frage, ob es ein angesagtes Viertel ist.«
»Das Tal hat keinen Charakter. Es besteht nur aus Einkaufszentren, Schnellstraßen und Reihenhäusern. Es wird sich anfühlen, als wohnten wir auf einer dieser Raststätten an der Autobahn«, argumentierte Marty. »Was gefällt dir nicht an den Hollywood Hills oder einem der Canyons, in der Nähe von Coldwater zum Beispiel? Oder wie wäre es mit Palisades, Hancock Park oder Brentwood?«
»Vergiss die Hügel und die Canyons. Ich will nicht am Rande einer Klippe leben, wenn das nächste Erdbeben kommt. Übrigens haben die Häuser dort überhaupt keine Gärten und die Straßen sind eng und steil. Hancock Park, Palisades und Brentwood sind zu teuer und haben ein schlechtes Preis-Leistungs-Verhältnis, und wir müssten unsere Kinder immer noch für 12 000 Dollar pro Jahr und Kind auf eine Privatschule schicken«, sagte Beth. »Und außerdem will ich, dass unsere Kinder im Vorgarten spielen können und dort sicher sind, und in einer bewachten Wohnanlage hat man schon ein gewisses Maß an Sicherheit.«
»Mit anderen Worten: Du willst also in einem Country-Club-Gefängnis irgendwo in der Provinz leben«, erwiderte Marty. »Wenn wir schon ein paar Jahre absitzen müssen, dann lass uns wenigstens vorher noch versuchen, ein bisschen Geld zu veruntreuen oder eine Bank auszurauben, damit wir die Strafe auch verdient haben.«
»Ich will nur das Beste aus unserem Geld machen, und ich will für unsere Familie die sicherste Umgebung, die ich kriegen kann«, sagte Beth bestimmt. »Du willst eine Wohngegend, mit der du beim Mittagessen im Le Guerre herumprahlen kannst, und wenn Agenten dir übers Wochenende Drehbücher nach Hause liefern lassen, sollen sie von der Postleitzahl beeindruckt sein. Jesus, Marty, was sind deine Prioritäten?«
Er
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