The Walk: Durch eine zerstörte Stadt (German Edition)
blickte Beth ins Gesicht. Ihre Augen funkelten vor Wut und unbeugsamer Entschlossenheit. Sie war jetzt schon eine Bärenmutter, die ihre Jungen verteidigte, und sie hatte noch nicht mal welche.
Welche Argumente hatte Marty schon gegen ihre – besseres Preis-Leistungs-Verhältnis, die besten Schulen für ihre Kinder und Sicherheit für seine Familie? Keine. Sie wusste es und er auch. Er war in einer äußerst vertrackten Position.
Wen interessierte es schon, dass das Tal lähmend langweilig war, am Smog erstickte und nur einen Evolutionsschritt weiter war als ein riesiger Trailerpark? Egal, was er zu seiner Verteidigung sagen würde, er würde dastehen wie ein Arschloch.
Beth machte das ständig mit ihm, dass sie ein Argument so auf den Punkt formulierte, dass er jedes Mal in die Falle tappte. Entweder war es das, oder sie war ein echtes Arschloch, und diese Möglichkeit gefiel ihm nicht.
Okay, na gut, es war ihm nicht egal, was die Leute über seine Postleitzahl dachten. Was war daran so schlimm? Schließlich gehörte zum Ehemann- und Vater-Sein auch, ein guter Versorger zu sein, und die falsche Adresse, der falsche Wagen, die falschen Klamotten oder der falsche Tisch im Restaurant konnten sich sehr negativ auf seine Glaubwürdigkeit in der Branche und letzten Endes auch auf seine Aufstiegschancen und sein Gehalt auswirken. Und in letzter Konsequenz damit auch auf den Lebensstil, den er seinen Liebsten bieten konnte.
Image war das Einzige, was in seiner Branche zählte, und ja, verdammt, was andere Leute darüber dachten, wo er wohnte, war sehr wohl wichtig. Doch das konnte er jetzt nicht zugeben, nicht während sie finanzielle und elterliche Verantwortung ins Feld führte.
Also gab er klein bei.
Es war nur ein Haus, und er war sowieso die meiste Zeit des Tages im Sender, was ja auch der Grund war, warum sie es sich überhaupt leisten konnten, ein Haus zu kaufen. Er würde freitags einfach nur länger bleiben müssen, das war alles, und sich dagegen verwehren, dass ihm Lesestoff nach Hause geliefert wurde. Er würde sagen, sein Haus sei heilig. Die Idee gefiel im plötzlich. Eine solche Regel würde ihn sogar noch mächtiger wirken lassen.
Yeah, ich bin ein Arschloch, und ein verdammt erfolgreiches dazu.
Marty seufzte schwer und lächelte auf diese liebenswerte Art und Weise, die sie so mochte, wie er wusste. »Heißt das, ich muss meinen Lexus gegen einen Volvo Kombi eintauschen?«
Sie erwiderte sein Lächeln. »Noch nicht.«
Er legte die Arme um sie und zog sie zu sich heran. »Hast du mal ›Chinatown‹ gesehen?«
»Das Einzige, woran ich mich erinnere, ist, dass Jack Nicholson die Nase aufgeschlitzt wird und dass er Faye Dunaway so lange schlägt, bis sie zugibt, dass sie seine Mutter und seine Schwester ist, oder so was in der Art.«
»Dann sollten wir besser los und ihn uns ausleihen«, er drehte sie um und führte sie zur Eingangstür. »Wenn wir im Tal wohnen werden, solltest du besser seine Geheimnisse kennen.«
17:13 Uhr. Mittwoch.
Immerhin führte der Los Angeles River Wasser, und es war warm.
Dies war die erste Empfindung, die Marty bewusst wahrnahm. Als Nächstes folgte ein intensiver Schmerz, der von seiner rechten Seite ausstrahlte. Mit jedem Atemzug durchzuckte ihn ein stechender Schmerz. Er vermutete gebrochene Rippen, denn er wusste, wie sich das anfühlte; er war mit achtzehn einmal mit einer Geländemaschine gestürzt, doch das hatte nicht so sehr weh getan wie jetzt. Damals waren nur zwei Rippen gebrochen, vielleicht waren es dieses Mal alle seine Rippen. Seinen verbrannten Rücken spürte er kaum noch. Er hatte die Verbrennungen gegen neue Qualen eingetauscht, die so höllisch waren, dass sie seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen und die Beschwerden wegen seiner anderen Verletzungen überlagerten.
Der intuitiv arbeitende Teil seines Gehirns unterzog seinen Körper einem Schnelltest, die Synapsen feuerten aus allen Ecken des Systems Rückmeldungen, und die Protokolle wurden in sein Bewusstsein durchgeleitet. Er versuchte, mit den Zehen zu wackeln und seine Finger zu beugen, und war erleichtert, dass er dazu in der Lage war, ohne neue Schmerzen zu verspüren. Wenigstens war er nicht gelähmt. Nun war eine Sichtprüfung vonnöten, und er hatte Angst vor dem, was er zu sehen bekommen würde.
Marty öffnete die Augen und sah blauen Himmel und die Hälfte der Wilbur-Überführung, die sich zu ihm herunterneigte, sodass kleine Asphaltkiesel herunterrollten und auf ihn
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